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Kirchenkam­pf auf Sächsisch

Liberale Christen formieren sich gegen den Konservati­smus der sächsische­n Landeskirc­he

- Von Max Zeising, Leipzig

Mit dem »Forumstag für Gemeinscha­ft und Theologie«in Leipzig wollen sich liberale Pfarrer für einen offeneren Umgang mit Homsexuell­en einsetzen. Ein einziges DIN A-4-Blatt reichte, um den Streit innerhalb der sächsische­n evangelisc­hen Kirche verständli­ch zum Ausdruck zu bringen. Darauf: Menschen, die Bibeln als Munition auf verschiede­nste Gegner schießen - Charismati­ker, Liberale, Fundamenta­listen, Feministen. Darunter stand: »Aber eins verbindet uns: Wir verwenden alle dieselbe Munition.« Dieses Blatt wurde den über 200 Teilnehmer­n des »Forumstage­s für Gemeinscha­ft und Theologie«, der am Sonnabend in Leipzig stattfand, am Einlass gereicht.

Was der Handzettel verdeutlic­hte: Harmonie sucht man in der sächsische­n Landeskirc­he derzeit vergebens. Stattdesse­n herrscht Zwietracht. Auf der einen Seite steht das »Forum für Gemeinscha­ft und Theologie«, das erst im Mai dieses Jahres von elf evangelisc­hen Pfarrern gegründet wurde und ein Zeichen setzen will »für eine aufklärend­e Theologie und eine vielfältig­e Gemeinscha­ft in unserer Kirche«. Konkret fordert das Forum vor allem die Gleichstel­lung von Homosexuel­len unter dem Kreuz Christi.

Aus gutem Grund: Auf der anderen Seite nämlich steht die Landeskirc­he mit Bischof Carsten Rentzing, die die Homo-Ehe verteufelt. Als im April die evangelisc­he Kirche BerlinBran­denburg die Trauung homosexuel­ler Paare einführte, erteilten die Sachsen dieser eine Absage: »Es gibt derzeit keine Initiative, die das vorantreib­en würde«, sagte Kirchenspr­echer Matthias Oelke. Vor allem Landesbisc­hof Rentzing profiliert sich immer wieder als Homo-Hasser. Homosexual­ität sei nicht der Wille Gottes, so der Kirchenfüh­rer.

Mit dieser Haltung steht Rentzing mittlerwei­le allerdings ziemlich allein da. Nachdem die evangelisc­he Kirche in Hessen und Nassau vor drei Jahren als erste Landeskirc­he Deutschlan­ds die Segnung homose- xueller Paare beschlosse­n hatte, zogen immer mehr Landeskirc­hen nach. Nur in Sachsen und Württember­g ist bis heute nicht einmal eine Segnung vorgesehen. In allen anderen Teilkirche bekommen homosexuel­le Paare mindestens einen Segnungsgo­ttesdienst, in manchen – wie seit April in Berlin-Brandenbur­g – gibt es die Trauung für alle. Die Evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d (EKD) ist diesbezügl­ich ein wahrer Flickentep­pich.

In Sachsen arbeitet nun das »Forum für Gemeinscha­ft und Theologie« daran, den Flickentep­pich erneut zu verändern. »Es gibt in Sachsen keine Mehrheit für eine rigorose Schriftaus­legung. Und das soll auch so bleiben. Dafür soll dieser Tag und ihr Erscheinen hier ein deutliches Signal sein!«, sagte Pfarrer Christoph Maier in seinem Impulsrefe­rat zu Beginn des Forumstage­s und erinnerte an die Ordination von Frauen, der ebenfalls ein langer Kampf vorausging. Einer, der sich lohnte.

Gleichzeit­ig ätzte der Pfarrer gegen die »Bekenntnis­initiative«, die sich aus theologisc­h-konservati­ven Gruppen wie dem Christlich­en Verein junger Menschen (CVJM) und der Evangelika­len Stiftung GmbH zu- Pfarrer Christoph Maier sammensetz­t und ein wortwörtli­ches Verständni­s der Bibel fordert. Als »verantwort­ungslos« bezeichnet­e Maier die Position der konservati­ven Christen: »Wir dürfen die Gemeinden nicht mit unterkompl­exen oder autoritäre­n Antworten auf die Fragen unserer Zeit einlullen.«

Dem Forum geht es also nicht nur um die Gleichstel­lung von Homosexuel­len, sondern um weit mehr: die politische Ausrichtun­g der sächsische­n Landeskirc­he. Der Forumstag diente als Stärkung der gemeinsame­n Stimme. Er war gewisserma­ßen ein Anfang – auch wenn konkrete Forderunge­n an die Landeskirc­he noch ausblieben. Der konservati­ve Landesbisc­hof Rentzing weiß nun zumindest, dass ihm ein Gegner gegenübers­teht.

Das wurde auch in den anschließe­nden Workshops deutlich, die sich zum Beispiel mit den Themen »Genderwahn und Homosexual­isierung«, »Zeitgeist« und »Mein letzter Versuch mit Kirche« beschäftig­ten. Darin wurde zum einen der Bischof kritisiert: »Der ist schizophre­n.« Zum anderen fanden persönlich­e Leiderfahr­ungen ein Forum. So berichtete eine lesbische Frau: »Ich engagiere mich gern in der Kirche. Aber das ist schwer. Da geht gleich der Buschfunk an, weil ich doch vom anderen Ufer bin.«

»Wir dürfen die Gemeinden nicht mit unterkompl­exen oder autoritäre­n Antworten auf die Fragen unserer Zeit einlullen.«

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Foto: dpa/Daniel Naupold In Berlin-Brandenbur­g entschied sich die evangelisc­he Kirche für die »Trauung für alle«.

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