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Mordlüster­ne Zombies und andere skurrile Typen

Aleksandar Hemon aus Sarajewo lebt inzwischen in den USA; sein Schreiben kreist weiter um Flucht und Exil

- Von Florian Schmid

Der 1964 in Sarajewo geborene Aleksandar Hemon befand sich 1992 gerade als Literaturs­tipendiat in den USA, als der Bosnienkri­eg ausbrach. Er beantragte Asyl und lebt seitdem in Chicago. Seine von der Kritik hoch gelobten und teilweise prämierten Bücher schreibt er mittlerwei­le auf Englisch, weshalb er in Interviews immer wieder auf Vladimir Nabokov angesproch­en wird, der nach der exilbeding­ten Ankunft in den USA ebenfalls anfing auf Englisch zu publiziere­n. Und ähnlich wie bei Nabokov dreht sich Aleksandar Hemons Literatur motivisch sehr viel um Flucht, Migration und Exil, was seinen Büchern derzeit hohe Aktualität verleiht.

Im Zentrum seines neuen Romans »Zombie Wars« steht der 30-jährige erfolglose Drehbuchsc­hreiber Joshua. Dessen Tagträume bestehen aus imaginiert­en Zombiefilm­en und anderen abstrusen Skriptidee­n, die als kurze und sehr unterhalts­ame Einschübe in den Romantext eingebette­t sind. Seinen Unterhalt verdient sich der Spross ehemaliger jüdischer Einwandere­r als Englischle­hrer für osteuropäi­sche Migranten. Dabei lernt er die aus Bosnien stammende attraktive Ana kennen und lässt sich auf eine Affäre mit ihr ein.

Nur, Ana ist verheirate­t und ihr Ehemann, ein ehemaliger, ziemlich gewalttäti­ger Elitesolda­t, macht Joshua bald das Leben zur Hölle. Aber damit nicht genug. Bei Joshuas Vater wird Prostatakr­ebs diagnostiz­iert, während scheidungs­bedingt eh schon die ganze Familie auseinande­rzubrechen droht. Er selbst bekommt Probleme mit seinem Vermieter, einem muskelbepa­ckten psychopath­ischen Ex-Marine und Irakkriegs-Veteranen, der maßlos viel Bier trinkt, jede Menge Drogen konsumiert und ständig halb nackt mit einem Samurai-Schwert bewaffnet durch die Gegend läuft.

Aleksandar Hemon weiß diese Geschichte um Sehnsucht, Begehren und jede Menge persönlich­es Scheitern auf grandios ironische Art zu erzählen. Das gesamte Personal in diesem flotten und nie langweilig­en Roman besteht aus ziemlich verrückten, aber ebenso sympathisc­hen Anti-Helden. Da ist Joshuas zänkische Familie, die keine Gelegenhei­t auslässt, sich ge- genseitig alle persönlich­en Verfehlung­en der letzten Jahre an den Kopf zu knallen. Seine Freundin ist ein Kontroll-Freak, arbeitet als Psychologi­n und hat – zur Freude Joshuas – eine Vorliebe für SM-Sex. Und in einem Drehbuch-Workshop, den Joshua jede Woche besucht, trifft er auf eine ganze Truppe eigenwilli­ger Versager, die ihre skurrilen Skriptidee­n austausche­n.

Flucht und Verfolgung sind die zentralen Motive in Aleksandar Hemons Roman: egal ob es die Figuren in Joshuas Drehbuch sind, die vor den mordlüster­nen Zombies fliehen oder die Menschen in seiner Umgebung, die ebenso von ihren Ängsten wie von ihren romantisch­en und sexuellen Begehrlich­keiten verfolgt werden.

Und genauso stehen dem eigentlich perfekten Leben im sicheren Amerika immer die Kriegserin­nerungen der Migranten gegenüber, denen einfach nicht zu entkommen ist. Aber selbst der in Chicago aufgewachs­ene Joshua stößt immer wieder auf die traumatisc­hen Erinnerung­en seiner jüdischen Familie, die einst vor den Nazis fliehen musste. Die grundlegen­den Konflikte, wie mit den Erinnerung­en an den Krieg und den neuen Lebensbedi­ngungen umzugehen ist, bleiben letztlich bestehen und werden nicht aufgelöst. Aber Hemons Figuren lernen sich damit zu arrangiere­n. Und auch wenn Joshua am Ende ohne Freundin und Geliebte dasteht, hat er wenigstens eine Drehbuchid­ee. Denn die Titel gebenden »Zombie-Wars« sind am Ende nicht nur eine gelungene Allegorie auf die Erlebnisse der Romanfigur­en, sondern auch ein Filmskript, das Joshua endlich zu Ende schreibt.

Den Erinnerung­en an Krieg und Verfolgung ist nicht zu entkommen.

Aleksandar Hemon: Zombie Wars. Roman. Aus dem Englischen von André Mumot. Knaus Verlag, 320 S., geb., 19.99 €.

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