Frankreich will TTIP stoppen
Bundesregierung weiter uneins / Führende Sozialdemokraten werben für Abkommen mit Kanada
In Frankreich verstärkt sich die Abneigung gegen TTIP. Jetzt hat die Regierung in Paris angekündigt, von der EU einen Stopp der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA zu fordern. Zunächst meldete sich der für das Transatlantische Freihandelsabkommen zuständige französische Staatssekretär für den Außenhandel: »Es gibt keine politische Unterstützung in Frankreich mehr für diese Verhandlungen«, sagte Matthias Fekl im Radiosender RMC am Dienstag. Am Nachmittag schloss sich François Hollande an. Die TTIP-Gespräche zwischen der EU und den USA könnten nicht bis zum Jahresende abgeschlossen werden, erklärte Frankreichs Staatspräsident. »Die Verhandlung hat sich festgefahren.« Begründet wird der Gegenwind aus Paris mit offensichtlichem Ungleichgewicht. »Die Amerikaner geben nichts oder nur Krümel«, sagte Staatssekretär Fekl. Die französische Regierung will nun beim kommenden Gipfel im September in Bratislava offiziell von der EU-Kommission den Stopp der Verhandlungen fordern.
In Kommissionskreisen stieß diese Ankündigung auf wenig Begeisterung. EU-Handelsministerin Cecila Malmström hatte sich immer wieder für einen Abschluss noch in diesem Jahr ausgesprochen. »Wenn man verhandelt, dann verhandelt man, um zu einem Ergebnis zu kommen«, erklärte ein Sprecher der Brüsseler Behörde nach der Ankündigung aus Paris. Auch in Washington gab man sich verstimmt. Zwar nannte der Sprecher des weißen Hauses, Josh Earnest, einen Abschluss in diesem Jahr ein »ambitioniertes Ziel«. Dennoch: die Gespräche seien in Gang. Der Sprecher des US-Chefverhandlers Michael Froman sprach gegenüber dem »Spiegel« sogar von »ständigen Fortschritten«. Für ihn sei nicht überraschend, dass einzelne Kapitel des Abkommens noch nicht förmlich beschlossen sein: »Es liegt in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist.« Man halte wie geplant an der nächsten Verhandlungsrunde Mitte September fest, um sich »den Fortschritt genau anzuschauen«.
Tatsächlich ist nach 14 Verhandlungsrunden noch kein Kapitel des Investitionsschutzabkommen in trockenen Tüchern. Ab Herbst sollte das sogenannte Endgame beginnen, also die Schlussphase, bei der alle strittigen Punkte auf den Tisch kommen sollen. Im Juli 2015 hatte das Rechercheteam Correct!v Papiere veröffentlicht, die zeigten, dass besonders die USA die Strategie verfolgen, strittige Interessen erst kurz vor Verhandlungsschluss durchzudrücken. Die EUKommission dagegen will möglichst viele Punkte vor der Schlussrunde geklärt haben. Die Ankündigung aus Paris könnte also ein Hinweis sein, dass sich Washington zu sehr an seiner Strategie festgebissen hat.
Im Gegensatz zu Frankreich bleibt die deutsche Regierung bei ihrem »Jein«. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plus Parteikollegen an TTIP festhalten, hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erneut bekräftigt, er halte die Gespräche für »de facto gescheitert«. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gab sich dagegen am Dienstag in Berlin weniger skeptisch »Ich weiß auch nicht, was bis zum Ende dieses Jahres oder sagen wir bis zu den Wahlterminen im November in den USA noch möglich sein wird«, sagte Steinmeier auf einer Botschafterkonferenz in Berlin vor Wirtschaftsvertretern und Diplomaten.
Wie Frankreich sehen die Sozialdemokraten die Verantwortung bei den USA. »Ich glaube, dass die Amerikaner TTIP aktiv beendet haben – durch schlichte Nicht-Bereitschaft, auf die Europäer zuzugehen«, erklärte Gabriel am Dienstag in Berlin.
Gabriel nutzte die Diskussion um TTIP, um erneut für das bereits verhandelte Freihandelsabkommen mit Kanada zu werben. Bei CETA handele es sich um ein gutes Abkommen und einen »Schutz für ein schlechtes TTIP«, sagte Gabriel. Auch Bundesaußenminister Steinmeier nannte CETA ein »Vorbild« und das »wahrscheinlich beste und fortschrittlichste Abkommen, das die Europäische Union jemals ausgehandelt hat«. Innerhalb der Sozialdemokraten ist CETA stark umstritten, am 19. September will die Partei in einem Konvent darüber entscheiden.
Gegen CETA sprachen sich am Dienstag auch die Opposition und die Industriegewerkschaft Bauen-AgrarUmwelt (IG BAU) aus. »Die gleichen Gründe, die gegen TTIP sprechen, sprechen auch gegen CETA«, erklärte der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger und forderte, CETA grundlegend neu zu verhandeln.
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, nannte es »unglaubwürdig«, wenn Gabriel TTIP als gescheitert ansehe, aber CETA gleichzeitig in den Himmel lobe. »Wer TTIP und CETA nicht zusammen stoppt, der führt die Öffentlichkeit hinters Licht«, sagte Wagenknecht. Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, nannte Gabriels Haltung »inkonsequent«. »CETA ist nur ein Klon von TTIP, intransparent, unsozial und unökologisch«, sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Zudem ermögliche auch CETA vielen US-Firmen mit kanadischen Niederlassungen Privilegien.