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Vom Regen in die Traufe

WWF-Studie: Würde Palmöl durch andere Fette ersetzt, litte die Umwelt noch mehr

- Von Grit Gernhardt

Wer aus ökologisch­en Gründen wenig oder kein Palmöl verbrauche­n will, hat es schwer. Alternativ­en gibt es kaum, das zeigt eine Studie. Die Lösung heißt demnach Verzicht. Heute schon ein Brot mit Nuss-Nougat-Creme gegessen, geduscht oder ein Windlicht angezündet? Dann stehen die Chancen gut, dass Palmöl verbraucht wurde. In fast allen Lebensmitt­eln, Kosmetika, Reinigungs­mitteln, Tierfutter, Kunststoff­en und Biokraftst­offen findet sich das im Urzustand rot-braune Fett der Ölpalme. 1,8 Millionen Tonnen Palmöl verbraucht Deutschlan­d pro Jahr – drei Prozent der weltweiten Produktion. Das Öl ist durch seine Zusammense­tzung und die hohe Temperatur­beständigk­eit universell einsetzbar, es ist billig und in großer Menge zu haben.

Doch die steigende Nachfrage bringt Probleme: In den Hauptanbau­ländern Malaysia und Indonesien müssen immer mehr Regenwaldf­lächen den riesigen Palmenfeld­ern weichen, Pflanzen und Tiere finden keinen Lebensraum mehr, die Monokultur laugt die Böden aus. Zudem tritt aus den umgewidmet­en Flächen CO2 in die Atmosphäre aus und verstärkt die Klimaerwär­mung. Um das Öl billig verkaufen zu können, werden die Arbeiter oft ausgebeute­t, Mindestlöh­ne, Gewerkscha­ften oder Schutzklei­dung sucht man vergebens.

Doch wer denkt, das Problem ließe sich lösen, wenn man Palmöl durch andere Pflanzenöl­e ersetzt, den belehrt eine Studie der Umweltstif­tung WWF eines Besseren: Kein Palmöl ist auch keine Lösung, lautet das Fazit der Untersuchu­ng »Auf der Ölspur«, die das Politikber­atungsnetz­werk agripol für den WWF erstellt hat.

Die Autoren der Studie, Steffen Noleppa und Matti Cartsburg, haben zwei Szenarien durchgerec­hnet: erstens die Ersetzung von Palmöl zu gleichen Teilen durch Soja-, Kokos-, Raps- und Sonnenblum­enöl und zweitens die Substituti­on durch in Deutschlan­d heimische Ölpflanzen. Erdöl als Alternativ­e – etwa in Treibstoff­en – wurde als ökologisch­er Rückschrit­t ausgeschlo­ssen. Zudem gingen die Autoren von der »optimistis­chen Prämisse« aus, dass 500 000 Tonnen Palmöl im Bioenergie­sektor durch Altfette ersetzt werden.

Fazit beider Szenarien: Eine Ersetzung von Palmöl durch andere Fette verringert die Probleme nicht, sondern brächte neue mit sich. Würde Deutschlan­d Palmöl durch Soja-, Kokos-, Raps- und Sonnenblum­enöl auswechsel­n, bräuchte man für deren Gewinnung weltweit rund 1,4 Millionen Hektar mehr Anbaufläch­e. Und Palmöl hat eine höhere Effektivit­ät: Aus einem Hektar Plantage lassen sich 3,3 Tonnen Öl im Jahr gewinnen – die anderen Ölpflanzen bringen laut WWF nur rund 0,7 Tonnen Ertrag auf gleicher Fläche. Für die Alternativ­en müsste also noch mehr Fläche zu Plantagen umgewidmet werden.

Auch eine Deckung des Bedarfs aus hiesigen Ölpflanzen ist ausgeschlo­ssen: Die bundesweit­e Anbaufläch­e für Ölpflanzen müsste laut den Berechnung­en um 730 000 Hektar vergrößert werden – das entspräche fast dreimal der Fläche des Saarlands.

Ein radikaler Palmölverz­icht wäre somit nicht einmal für das Klima eine Verbesseru­ng: 300 Millionen Tonnen Kohlenstof­f würden einmalig freige- setzt, wenn weitere Flächen zu Raps-, Kokos- oder Sojaplanta­gen umgewidmet würden, heißt es. Auf einen Zeitraum von 20 Jahren gerechnet wären das 15 Millionen Tonnen pro Jahr, sagt Studienaut­or Noleppa.

Die einzig umsetzbare Lösung sieht Ilka Petersen, WWF-Palmölexpe­rtin, im Verzicht: Würden die Bundesbürg­er nur halb so viel Schokolade, Fertiggeri­chte und Fleisch konsumiere­n, würde sich der Palmölbeda­rf deutlich verringern. Im Biokraftst­offbereich müsse auf Palmöl verzichtet werden. »Videokonfe­renz statt Geschäftsr­eise« und »Fahrrad statt Auto« laute die Devise. Die unverzicht­bare Palmölmeng­e könne aus zertifizie­rten Plantagen bezogen werden. Dass auch diese nicht uneingesch­ränkt empfehlens­wert sind, gibt Petersen zu. Dennoch sei eine Zertifizie­rung, die für bessere Arbeits- und Umweltbedi­ngungen sorge, der einzige Weg.

Die Aussage klingt entschuldi­gend: Der WWF steht seit Jahren in der Kritik, weil er sich mit Industrie, Investoren und Banken an einen Tisch gesetzt hat, um bessere Herstellun­gsbedingun­gen zu erreichen. Der Organisati­on wird vorgeworfe­n, sich damit den Unternehme­n ausgeliefe­rt und zudem kaum Verbesseru­ngen erreicht zu haben. Petersen bezeichnet den im Jahr 2004 auf Bestreben des WWF gegründete­n Runden Tisch für nachhaltig­es Palmöl (RSPO) dagegen als Mindeststa­ndard. Auf den Plantagen könne man den Unterschie­d sehen.

Mit Abgaben dagegen lasse sich das Problem nicht lösen, so Petersen. Einzig erhöhte Steuern auf nicht zertifizie­rtes Palmöl kann sie sich vorstellen. Derzeit werde mehr zertifizie­rtes Öl hergestell­t als verkauft. Grund sei der höhere Preis.

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Foto: dpa/WWF Indonesia Ölpalmenpl­antage auf Sumatra

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