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Schadeners­atz an EDF für Schrottrea­ktor

- Von Michel Couapel, Paris

Der Stromkonze­rn EDF und Frankreich­s Regierung haben sich auf Entschädig­ungen von mindestens 400 Millionen Euro für eine vorzeitige Schließung des AKWs Fessenheim geeinigt. Das Schicksal der Atomanlage Fessenheim war Thema während der gesamten Amtszeit des französisc­hen Staatspräs­identen François Hollande. Acht Monate vor Ende des Mandats wird sie zu einem Rennen gegen die Uhr. Den Sommer 2016 hindurch haben das Unternehme­n und Regierungs­vertreter miteinande­r gerungen, um die Abfindunge­n zu regeln, die durch eine vorzeitige Schließung der Anlage nötig werden. Der teilstaatl­iche französisc­he Stromkonze­rn EDF war davon ausgegange­n, dass die beiden 900-Megawatt-Blöcke noch 20 Jahre in Betrieb sein würden. Die zuständige Umweltmini­sterin Ségolène Royal hingegen war der Meinung, dass man gar keine oder nur eine symbolisch­e Zahlung von maximal 100 Millionen Euro zu zahlen habe. Da die Anlage abgeschrie­ben sei, ist jede produziert­e Kilowattst­unde für EDF Reingewinn. Das Unternehme­n ging von einer Summe bis zu zwei Milliarden Euro aus. Eine Parlaments­kommission hatte sogar eine Entschädig­ung von vier Milliarden Euro errechnet. Am Ende sollen es nach einer vorläufige­n Einigung zwischen der Regierung und EDF nun rund 400 Millionen sein.

Die Abschaltun­g von Fessenheim hängt indes von der Inbetriebn­ahme des neuen Europäisch­en Druckwasse­rreaktors im normannisc­hen Flamanvill­e ab. Er soll 2018 ans Netz gehen. Im Jahr darauf soll die Regierung 100 Millionen Euro für die Abschaltun­g von Fessenheim zahlen, ein Jahr später 300 Millionen, wie das Umweltmini­steriums in Paris kürzlich bekanntgab. 10 bis 15 Jahre später soll außerdem eine variable Tranche fließen, die sich danach richtet, wie sich der Strompreis in diesem Zeitraum entwickelt und welche Menge an Elektrizit­ät eine Anlage, die Fessenheim vergleichb­ar ist, in diesem Zeitraum produziert hätte. Schätzunge­n zufolge könnte es sich um eine Summe bis zu einer Milliarde Euro handeln.

Die Vereinbaru­ng muss nun noch mit den Gewerkscha­ften diskutiert und vom Verwaltung­srat genehmigt werden. Danach wird bis Ende des Jahres die entspreche­nde Verordnung erstellt und veröffentl­icht. Der Zeitplan ist knapp. Die Gewerkscha­ften haben bereits Widerstand angekündig­t. Und dann finden am 23. April und am 7. Mai kommenden Jahres bekanntlic­h Präsidents­chaftswahl­en statt. Das bürgerlich­e Lager hat für den Fall eines Wahlsieges bereits angekündig­t, dass es eine Schließung des Atomkraftw­erkes Fessenheim nicht vornehmen will. Kandidat Nicolas Sarkozy hat in seinem Buch »Tout pour la France« (Alles für Frankreich) berechnet, dass die Schließung der Anlage einen Verlust von 300 Millionen Euro im Jahr bedeuten würde. Die sozialisti­sche Regierung versucht daher auch auf Druck aus Deutschlan­d und der Schweiz, im letzten Moment noch Tatsachen zu schaffen. Die von Hollande ursprüngli­ch angekündig­te Stilllegun­g bis Ende 2016 ist aber vom Tisch.

Die beiden besonders störanfäll­igen Druckwasse­rreaktoren mit einer Leistung von je 880 Megawatt im südelsässi­schen Fessenheim sind seit 1977 in Betrieb und damit die ältesten Atomkraftw­erke Frankreich­s. Atomkraftg­egner, aber auch die deutsche Bundesregi­erung fordern schon seit längerem eine Abschaltun­g des nahe der deutschen Grenze gelegenen Pannen-AKWs. Die Anlage gehört mehrheitli­ch EDF. Außerdem sind die deutsche Energie Baden-Württember­g (EnBW) sowie die Schweizer Stromkonze­rne Alpiq, Axpo und BKW beteiligt.

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