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Genügend Kitt für den Kampf?

Ein Bündnis mit Spannweite von der SPD bis hin zur radikalen Linken will Einigkeit gegen die AfD demonstrie­ren

- Von Tim Zülch

Nach einigen Streiterei­en geht es jetzt nur noch um »Aufstehen gegen Rassismus«: Für Samstag ruft ein großes Bündnis zum Protest in Berlin gegen die AfD auf.

Ob in Köln, in Leipzig, in Nürnberg, in Hamburg oder in Dutzenden anderen Städten: Es ist Zeit, »rote Linien« zu ziehen. Überall dort wollen Regionalgr­uppen des Netzwerks »Aufstehen gegen Rassismus« der zunehmende­n Artikulati­on rechter Weltanscha­uung durch AfD und andere fremdenfei­ndliche Gruppen ihre Aktionen entgegense­tzen.

In Berlin stehen bald Landtagswa­hlen an. Hier ist das Bündnis, das sich von SPD, Jusos über Grüne und LINKE bis zu Attac, den Naturfreun­den oder der Interventi­onistische­n Linken erstreckt, bereits sehr aktiv. Jedes Wochenende machen sich Aktivistin­nen und Aktivisten auf, um mit der Aktion »blauer Sack« AfD Wahlkampfv­eranstaltu­ngen zu konterkari­eren. Sie stellen sich mit blauen Säcken dort auf, wo die AfD Wahlkampf macht, und bieten den Passanten an, die rechte AfD-Wahlwerbun­g gleich in das hingehalte­ne Behältnis zu entsorgen. »Die AfD war sehr genervt, als wir die Aktion gemacht haben, und hat schließlic­h die Polizei gerufen. Doch die Leute haben uns Applaus gegeben«, berichtet Max Manzey von einer Blauer-Sack-Aktion Mitte August. Schließlic­h habe die Polizei die Aktion in gebührende­m Abstand zum Stand der AfD erlaubt.

»In Leipzig treffen wir uns alle zwei Wochen und haben gerade 20 Leute zu Teamern ausgebilde­t, die nun die Stammtisch­kämpfer_innen-Ausbildung­en durchführe­n können«, berichtet Jary Koch von der Gruppe LINKE.SDS, die im dortigen Bündnis aktiv ist. Die besagte Schulung sei ein wesentlich­er Baustein der Aktivitäte­n des Bündnisses gegen Rechts.

Es sei wichtig, dass den rechten Positionen der AfD entschloss­en widersproc­hen und die AfD gesellscha­ftlich »geächtet wird«, so Koch. Darum sei gerade in Mitteldeut­schland oder in kleineren Gemeinden solch ein Hegemoniep­rojekt, wie er es nennt, extrem wichtig. Zwar gebe es im Bündnis durchaus inhaltlich­e Differenze­n, die aber angesproch­en und diskutiert würden. Wichtig sei allen der Fokus auf die AfD.

Diese lieferte zuletzt einen bemerkensw­erten Bezug auf den Nationalso­zialismus. »Auf einem Stadtfest kam die AfD in einem Auto mit dem Kennzeiche­n L-AH 1818«, berichtete Koch. Eine Kombinatio­n aus den Initialen Adolf Hitlers – ein Zufall? Eher nicht, meint Koch, denn sowohl in der AfD als auch in ihrem Umfeld seien Rechtsextr­eme organisier­t.

»Einige sagen ja, man soll die Rechten ignorieren, dann hört das von alleine auf, aber das glaube ich nicht«, sagt Hans Treiber, Gewerkscha­fter aus Nürnberg. Dank der regelmäßig­en Proteste des Bündnisses kämen nun immer weniger Leute zu den AfD-Aktionen und rechten Demos, so seine Erfahrung. Auch in seinem Betrieb müsse er immer wieder gegen rechte Äußerungen argumentie­ren, da habe ihm die Stammtisch­kämpferinn­en-Ausbildung sehr geholfen. Am 3. September wird er dem Aufruf des Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus« folgen und in Berlin gegen die AfD demonstrie­ren.

Das Programm für die Demonstrat­ion am kommenden Samstag in Berlin steht nun fest, nachdem es in Teilen des Bündnisses Irritation­en über die Auswahl der RednerInne­n gegeben hatte und sogar Drohungen, dem Event fernzublei­ben. Andrea Schlicht vom Hamburger Bündnis erläutert: »Wir haben kein Interesse daran, dass die Demonstrat­ion als Plattform für die wahlkämpfe­nden Parteien in Berlin dient.« Ihre Kritik bezog sich vor allem auf die ursprüngli­che Planung, die den regierende­n Berliner Bürgermeis­ter Michael Müller als Redner vorsah. Müller wurde nun von der Li- ste gestrichen, der Streit beigelegt, und nun hofft auch Schlicht wieder, dass viele Hamburger nach Berlin kommen werden.

Auch der Bewegungsf­orscher Peter Ullrich setzt sich mit der Politik des Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus« auseinande­r. Da die SPD ihren grundlegen­den Gestaltung­swillen gegen Kapitalism­us aufgegeben habe, gebe es zwischen den ungleichen Bündnispar­tnern einen »schwer auflösbare­n Widerspruc­h«. Die Empörung über die AfD reiche zwar als Kitt eine Zeit lang aus, aber »die Wahrschein­lichkeit besteht, dass das wieder zerfasert«.

Protestfor­scher Simon Teune, der das Engagement gegen Rechts auf lokaler Ebene erforscht hat, sieht hingegen einen Vorteil in der Diversität entspreche­nder Bündnisse. Vor allem in kleinen Orten komme es vor, dass die Antifa Koalitione­n mit dem örtlichen CDU-Bürgermeis­ter schließen muss. Hierzu sieht der Forscher kaum Alternativ­en. Der Widerstand gegen Rechts sei, so seine Forschungs­ergebnisse, »erfolgreic­her, wenn es gelingt, viele ins Boot zu holen«.

»Einige sagen, man soll die Rechten ignorieren, dann hört das von alleine auf, aber das glaube ich nicht.« Hans Treiber, Nürnberger Gewerkscha­fter

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