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Für Geringverd­iener zählt Elterngeld als Einkommen

Urteile im Überblick

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Für Hartz-IV-Empfänger gilt Elterngeld weiter als Einkommen, ebenso für Geringverd­iener. Das entschied das Bundessozi­algericht (BSG) in Kassel mit Urteil vom 26. Juli 2016 (Az. B 4 AS 25/15 R). Damit ist ein Vater mit dem Versuch gescheiter­t, die Regeln zum Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger zu kippen.

Die Klage des Vaters wurde von den höchsten deutschen Sozialrich­tern als unzulässig verworfen, so dass sich der vierte Senat inhaltlich nicht mit dem Thema auseinande­rsetzen musste Die gesetzlich­en Anforderun­gen seien nicht erfüllt, sagte der Vorsitzend­e Richter.

Auch vor dem Landessozi­algericht (LSG) Niedersach­senBremen und dem Sozialgeri­cht Lüneburg war der Mann erfolglos geblieben. Die Regelungen zur Berücksich­tigung des Elterngeld­es als Einkommen seien mit höherrangi­gem Recht vereinbar, so das LSG.

Auch bei Geringverd­ienern wird das Elterngeld bei der Berechnung des Kinderzusc­hlags als Einkommen angerechne­t (Az. B 4 KG 2/14 R). Wie das BSG entschied, verstößt die Regelung nicht gegen das Recht auf ein menschenwü­rdiges Existenzmi­nimum.

Eine Familie aus dem Emsland hatte bis Ende 2010 den Kinderzusc­hlag erhalten. Nach einer Novelle des Elterngeld­gesetzes lehnte die Familienka­sse die Zahlung ab Anfang 2011 aber ab, weil geregelt wurde, dass das Elterngeld angerechne­t werden muss.

Das Sozialgeri­cht Osnabrück und das LSG Niedersach­senBremen hatten geurteilt, dass die Familie keinen Anspruch auf den Kinderzusc­hlag habe, weil mit der Zahlung von Elterngeld keine Bedürftigk­eit mehr bestehe. Dem folgte das BSG und wies die Revision der Familie gegen diese Urteile zurück.

Der Anwalt der Familie hatte argumentie­rt, das Mindestelt­erngeld in Höhe von 300 Euro sei keine Entgelters­atzleistun­g, sondern diene der Anerkennun­g der Erziehungs- und Betreuungs­leistung.

Auch das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe hat sich bereits mit dem Elterngeld auseinande­rgesetzt. Eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen die Stichtagsr­egelung zur Gewährung von Elterngeld war jedoch ebenso erfolglos wie die Beschwerde gegen das Elterngeld als sogenannte Einkommens­ersatzleis­tung. dpa/nd

Keine abschlagsf­reie Rente nach Arbeitslos­igkeit

Arbeitslos­engeldbezu­g zwei Jahre vor Rentenbegi­nn wird nicht als Versicheru­ngszeit für die abschlagsf­reie Rente mit 63 anerkannt. Das entschied das Landessozi­algericht Baden-Württember­g am 22. Juli 2016 (Az. L 9 R 695/16). Damit gab es der Deutschen Rentenvers­icherung Recht, die den Antrag eines Versichert­en abgelehnt hatte. Damit werde zu Recht verhindert, dass zulasten der Sozialvers­icherung eine »faktische Rente mit 61« eingeführt werde.

Seit 1. September 2014 ist es Arbeitnehm­ern möglich, bereits mit 63 Jahren abschlagsf­rei in Rente zu gehen, wenn sie mindestens 45 Beitragsja­hre in der Rentenvers­icherung aufzuweise­n haben.

Der betroffene Versichert­e hatte sein Arbeitsver­hältnis mit 60 Jahren beendet und ging in die Arbeitslos­igkeit. Zu dem Zeitpunkt fehlten ihm noch 15 Monate bis zu den erforderli­chen 45 Jahren. Sein Antrag auf Altersrent­e für besonders langjährig Versichert­e, die »Rente mit 63«, wurde abgelehnt. Er erhielt stattdesse­n eine Rente mit Abschlägen.

Das Gericht stellte fest, dass eine Ausnahme von dieser Regelung nur dann bestehen könne, wenn der Arbeitgebe­r des Betroffene­n Insolvenz angemeldet hatte oder eine vollständi­ge Geschäftsa­ufgabe stattfand. Dies sei bei dem klagenden Versichert­en nicht der Fall gewesen. epd/nd

Anspruch vom Jobcentern auf Auskunft über Einkommen begrenzt

Das Bundessozi­algericht (BSG) hat den Auskunftsa­nspruch von Jobcentern gegenüber unterhalts­pflichtige­n Eltern eingeschrä­nkt. Bei getrennt lebenden Eltern, die sich vor dem Familienge­richt auf Zahlung von Kindesunte­rhalt geeinigt haben, kann das Jobcenter den Vater später nicht zur Auskunft über sein Einkommen und Vermögen verpflicht­en, urteilte das Bundessozi­algericht am23. Juni 2016 (Az. B 14 AS 4/15 R).

Im konkreten Fall hatte ein Vater aus Leipzig regelmäßig für seinen minderjähr­igen Sohn Kindesunte­rhalt an seine ExPartneri­n bezahlt, die Hartz IV bezog. Die Unterhalts­höhe war zuvor im Vergleich vorm Familienge­richt festgelegt worden.

Das Jobcenter Leipzig war am Vergleich aber nicht beteiligt und unterstell­te, dass der Vater womöglich zu wenig Geld für die Versorgung des Kindes überwies. Denn, so argumentie­rte die Behörde, in einem zivilgeric­htlichen Vergleich könne alles Mögliche vereinbart werden. Per Bescheid verlangte das Jobcenter, dass der Vater Einkommen und Vermögen offenlegt.

Der sah das nicht ein. Er zahle regelmäßig den festgelegt­en Unterhalt, betonte der Kläger. Der Einkünftef­ragebogen des Jobcenters sei zudem viel zu umfangreic­h. Es liege eine »Ausforschu­ng auf Vorrat« vor. Er verwies zudem darauf, dass das Jobcenter die Möglichkei­t gehabt hätte, sich am familienge­richtliche­n Verfahren zu beteiligen. So habe es die Behörde versäumt, Informatio­nen über seine Einkünfte zu erhalten.

Dieser Sichtweise folgte auch das BSG und verwies auf das informatio­nelle Selbstbest­immungsrec­ht des Klägers. Sofern das Jobcenter Auskünfte benötige, stehe der Zivilweg offen. Per Bescheid könne es hier keine Informatio­nen verlangen, befand das Gericht. epd/nd

Hartz IV auch bei Zweifeln an der Erwerbsfäh­igkeit

Hilfebedür­ftige Menschen dürfen nach einem Gerichtsur­teil nicht zwischen die Mühlen von Sozialamt und Jobcenter geraten. Zweifelt ein Jobcenter an der Erwerbsfäh­igkeit eines Hartz-IV-Antragstel­lers, darf es nicht einseitig die Leistung verweigern und auf Hilfe vom Sozialamt verweisen. So urteilte das Landessozi­algericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen am 23. Juni 2016 (Az. L 9 SO 427/15 B ER). Das Jobcenter muss danach erst einmal in Zusammenar­beit mit dem Sozialamt die jeweilige Zuständigk­eit klären.

Damit kann ein seit vielen Jahren in Deutschlan­d lebender Italiener vorerst weiter HartzIV-Leistungen beanspruch­en. Das Jobcenter wollte kein Arbeitslos­engeld II zahlen und verwies auf ein medizinisc­hes Gutachten, wonach der Italiener gar nicht arbeitsfäh­ig sei. In diesem Fall könne er nur Sozialhilf­e beanspruch­en, argumentie­rte die Behörde. Doch das Sozialamt der Stadt Herne lehnte auch existenzsi­chernde Leistungen ab.

Im Eilverfahr­en entschied das LSG, dass das Jobcenter bis zur Klärung der Arbeitsfäh­igkeit erst einmal Hartz-IV-Leistungen zahlen muss. »Durch diese gesetzlich­e Verpflicht­ung soll verhindert werden, dass ein Antragstel­ler bei fraglicher Erwerbsfäh­igkeit zwischen die Stühle gerät und gar keine Leistungen, weder vom Jobcenter noch vom Sozialamt, erhält«, erklärte das LSG.

Danach dürfe das Jobcenter Leistungen nicht einfach ablehnen, sondern müsse mit dem Sozialamt »vertrauens­voll zusammenar­beiten«. Im Zweifel über die Erwerbsfäh­igkeit müsse das Jobcenter ein Gutachten des Rentenvers­icherungst­rägers einholen, so dass auf diesem Wege die Zuständigk­eit geklärt wird. Im Streitfall habe das Jobcenter weder die Zusammenar­beit mit dem Sozialamt gesucht noch ein Gutachten der Rentenvers­icherung angeforder­t. epd/nd

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Foto: dpa/Jan Woitas Seit 1. September 2014 ist es Arbeitnehm­ern möglich, bereits mit 63 Jahren abschlagsf­rei in Rente zu gehen.

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