Die Alleinerziehende im Kirschbaum
Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme sind auch im Garten geboten – wenn sich eine Amsel im Kirschbaum eingenistet hat. Von Peter Kollewe Es war schon eine kleine Überraschung, was wir Anfang August in unserem Kirschbaum entdeckten. Und was so nicht zu erwarten war. Wir hatten letzten Herbst einen starken Rückschnitt vorgenommen, um der Spitzendürre in diesem Jahr vorzubeugen. Der Baum schlug mit einem gewaltigen Austrieb zurück, wurde dicht und dichter mit einem schwer einzusehenden Ast- und Blattwerk.
Zuerst nahmen wir nur zur Kenntnis, dass eine Amsel hin und wieder im Baum verschwand. Dann sahen wir es: ein Nest mit drei Eiern und eine geduldig brütende Mutter.
Nur nicht stören, ob beim Rasenmähen oder beim Wässern. Wir hatten jetzt Mitbewohner. Dann war plötzlich Betrieb im Nest wie im Luftraum – raus aus dem Blattwerk, ein kurzer Zwitscher aus den Rabattenstauden, wieder rein ins Blattwerk. Aus einem stillen Blickwinkel konnte man die hungrigen kleinen Schnäbel sehen, die sich flugs wieder duckten, als die alleinerziehende Mutter zur nächsten Futtersu- che wegflog ... Futtergeschäft völlig ohne männlichen Beistand.
Wie die Brutzeit, so still und unbemerkt endete das gesamte Untermietverhältnis. Eine Woche nach unserer Beobachtung waren Mutter und Kinder verschwunden. Nur etwas Kot im Nest ließen vermuten, hier war mal jemand.
Schade eigentlich, wir dachten an Starenfamilien, deren Halbwüchsige lauthals nach Futter schreiend hinter ihren Eltern über den Rasen tobten und auf diese Weise beigebracht bekommen sollten, wo und wie man sich selbst betut.
Die Familie ist nun weg, wie auch die letzte Brut von Meisen, Spatzen, Kleibern und Zaunkönigen ausgeflogen ist. Das Nest scheint pflegeleicht, doch in den Nistkästen herrscht oft noch wildes Treiben: Vogelflöhe, Milben und Zecken haben es sich hier ebenfalls gemütlich gemacht. Nicht nur deshalb sollte man die Kästen jetzt gleich säubern.
Aber Vorsicht: Verschiebt man eine Reinigung auf den Spätherbst, könnten schützenswerte Wintergäste wie Hummelköniginnen oder Fledermäuse gestört werden. Also bevor man sich ans Werk macht, »anklopfen«. Hin und wieder gibt es auch »Zwischenmieter« wie Wald- oder Haselmäuse.