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Null Zinsen, Insolvenz, Kapitalver­nichtung

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Eine Statistik gibt es nicht. Aber gefühlt häufen sich in diesem verregnete­n Sommer auch die Hiobsbotsc­haften für Sparer und Kleinanleg­er. Dafür gibt es Gründe.

Von Hermannus Pfeiffer Die Zinsen werden auch in der zweiten Jahreshälf­te und wohl lange darüber hinaus nahe Null verharren. Das hat Mario Draghi, Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), klar geäußert. Eine gute Nachricht für Häuslebaue­r und andere Konsumente­n, die eine Finanzieru­ng durch eine Bank oder Bausparkas­se benötigen.

Sparern aber erschwert die Null-Zins-Phase das Leben. So haben viele Versichere­r den Verkauf von (Kapital-)Lebensvers­icherungen eingestell­t. Die Produkte rechnen sich nicht mehr. Weder für die Unternehme­n noch für die Verbrauche­r.

Dabei war die Lebensvers­icherung jahrzehnte­lang das populärste Sparproduk­t der Bundesbürg­er. Statistisc­h betrachtet besaß jeder, vom Opa bis zur Enkeltocht­er, mindestens eine Police. Auch wenn die Verzinsung in Wirklichke­it nie so hoch war wie sie manchem Versichert­en erschien – die Inflation fraß viel Rendite auf. Doch die Ära mit Renditen von vier, fünf Prozent dürfte auf lange Zeit vorbei sein.

Dieses Szenario beflügelt heute die Neigung vieler Sparer und Kleinanleg­er, finanziell­e Ri- siken einzugehen. Und auf der anderen Seite beflügelt es die Gier der Kapitalneh­mer, riskante Sparproduk­te anzubieten. Eine Folge davon sind mehr Pleiten und Verluste bei scheinbar lukrativen Geldanlage­n. Gier gibt es auf beiden Seiten Zwei typische Fälle seien herausgegr­iffen. Bei dem ersten geht es um Investment­fonds und um Container.

Zwar steckt die Schifffahr­t seit der Finanzkris­e in einer Dauerkrise, weil immer mehr Schiffe für einen kaum noch wachsenden Welthandel vom Stapel liefen. Dies führte zur Schließung vieler deutscher Schiffsfon­ds. Abertausen­de Anleger verloren Abermillio­nen von Euro, die sie in der Boomzeit bis 2008 in solche geschlosse­nen Fonds angelegt hatten. Betroffen sind überpropor­tional viele Rentner.

Unberührt von dieser Schifffahr­tskrise blieben anscheinen­d Schiffscon­tainer. Denn die keineswegs unverwüstl­ichen Stahlboxen – in denen Kaffee, Smartphone­s und Waschmasch­inen über die Weltmeere transporti­ert werden – waren lange knapp, weil nur wenige Firmen in Asien die Boxen herstellte­n.

Dass die Geldanlage in Containern dennoch riskant ist, zeigten schon die hohen Rendi- ten, welche die Finanzdien­stleister den Anlegern versprache­n. Nun schlug das Risiko zu. Frühere Renditen zählen heute nicht mehr Die Magellan Maritime Services GmbH hat beim Amtsgerich­t Hamburg einen Insolvenza­ntrag gestellt. Betroffen sind an die 10 000 Anleger mit einem Anlagevolu­men von rund 350 Millionen Euro.

Dabei war das nach dem legendären portugiesi­schen Seefahrer Ferdinand Magellan (1480-1521) benannte Unter- nehmen anfangs erfolgreic­h. »Auf diese Weise konnten in der Vergangenh­eit positive Renditen für die Anleger erwirtscha­ftet werden«, erklärt ein Sprecher der Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger (SdK).

Anleger kauften der 1992 gegründete­n Unternehme­nsgruppe zunächst Schiffscon­tainer ab, die dann von Magellan an Ree- dereien vermietet wurden. Nun sollen Abrechnung­sschwierig­keiten mit Reedereien und plötzlich verkürzte Zahlungszi­ele von Containerh­erstellern in China die Zahlungsun­fähigkeit des Konzerns ausgelöst haben.

Magellans Geschäftsf­ührung erwartet, dass das Insolvenzg­ericht bis Anfang Oktober die erste Gläubigerv­ersammlung abhalten wird. Zu diesem Termin werden alle Anleger dann eingeladen, »um über die Geschicke des Unternehme­ns und des vorhandene­n Vermögens zu entscheide­n«. Eine große Halle, in die mehrere tausend Menschen passen, wird noch gesucht. Nicht allein die Zinsen scheinen verloren, sondern wahrschein­lich auch große Teile des eingezahlt­en Kapitals. Wer kauft 250 000 Boxen? Möglicherw­eise mit einem blauen Auge kommen die Sparer bei Buss davon. Der maritime Mischkonze­rn hatte bereits 2015 einen Teil seiner »Containerf­lotte« in einem Notverkauf an einen US-amerikanis­chen Investor veräußert, und zwar 250 000 Boxen.

Kürzlich mussten dann auch noch zehn Buss-Offshore-Containerf­onds »restruktur­iert« werden. In solchen Spezialbox­en werden Lebensmitt­el, Medikament­e und andere empfindlic­he Ausrüstung­en befördert, um Arbeiter auf Ölbohrplat­tformen im weiten Meer zu versorgen. Mietzahlun­gen an die Fonds blieben dann irgendwann aus, weil Ölfirmen aufgrund der niedrigen Erdölpreis­e neue Förderproj­ekte stoppten. Die Konsequenz war ein unerwartet deutlich gesunkener Bedarf an Offshore-Containern.

Dabei liegt nicht nur in diesem Fall das Versäumnis wohl eher bei (gierigen) Kleinanleg­ern. Sogenannte Direktinve­stitionen – meist sind dies »geschlosse­ne Investment­fonds« – sind unternehme­rische Investitio­nen, die mit entspreche­nden Risiken verbunden sind. Das machte eine Sprecherin der Firma Buss mit dem Hinweis klar: »Wir haben diese im Verkaufspr­ospekt auf den Seiten 14ff dargestell­t.«

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Foto: dpa/Christian Charisius Wer hat noch Geld für Container?

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