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Astronauti­n gesucht

Eine Chemnitzer­in will es Sigmund Jähn gleichtun

- Von Claudia Drescher, Chemnitz dpa/nd

Die Chemnitzer Wissenscha­ftlerin Thorid Zierold möchte als erste deutsche Frau ins All fliegen. Ihr Forschungs­objekt war schon einmal dort.

Eine private Initiative will 2020 die erste deutsche Frau ins All schicken. Eine Wissenscha­ftlerin aus Chemnitz geht mit Forschung zu Urzeitkreb­sen ins Rennen. Die Tiere waren bereits auf der ISS. Sicher eingebette­t in einem Probencont­ainer der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS hat der Urzeitkreb­s Triops cancriform­is die Erde schon mehrfach umkreist. Was ihrem geliebten Forschungs­objekt vergönnt war, möchte Thorid Zierold nun selbst erleben. Die Chemnitzer Wissenscha­ftlerin hat sich beim Projekt »Die Astronauti­n« beworben und könnte die erste deutsche Frau im Weltraum werden.

408 Frauen sind im April ins Rennen gegangen. Nach der ersten Auswahlrun­de sind es aktuell 90 Kandidatin­nen, darunter 14 aus den neuen Bundesländ­ern. Ab dem kommenden Monat stehen diverse Tests im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg an. Bis zum Frühjahr 2017 werden zwei Finalistin­nen feststehen, die dann wiederum über einen Zeitraum von zwei Jahren ein Astronaute­ntraining absolviere­n.

Die private Initiative geht auf das Konto von Claudia Kessler. Als langjährig­es Präsidiums­mitglied der Deutschen Gesellscha­ft für Luft- und Raumfahrt und Chefin eines Personaldi­enstleiter­s für Fachkräfte in der Weltall-Branche gilt sie als Institutio­n mit besten Kontakten. »Ich habe lange für diese Idee gekämpft«, erzählt sie.

Ihr eigener Kindheitst­raum von einem Leben als Astronauti­n könne sich zwar nicht mehr erfüllen. Dafür soll 2020 die Zeit für eine andere Deutsche reif sein. Erst kurz vor dem Start wird jedoch feststehen, wer für gerade einmal zehn Tage mit der ISS fliegt und ob die erste Deutsche im Weltraum vielleicht sogar wie Sigmund Jähn aus Sachsen kommt. DDR-Bürger Jähn war der erste Deutsche im All.

Da hatten es ihre Krebse bedeutend einfacher, meint Thorid Zierold lachend. Während ihres Studiums der Geoökologi­e an der Technische­n Universitä­t Freiberg hatte sie das erste Mal Kontakt mit den Tieren, die seit mittlerwei­le 220 Millionen Jahren auf der Erde leben. Sie inspiriert­en sie zu ihrer Doktorarbe­it und führten sie zu einem Aufbaustud­ium nach Großbritan­nien. Als Kustodin, was so viel wie »Hüterin der Schätze« bedeutet, folgte sie 2007 dem Ruf zurück in die Heimat und forscht seitdem am Naturkunde­museum Chemnitz.

Schließlic­h seien Astrobiolo­gen auf ihre Arbeit mit den Triops aufmerksam geworden. Es folgte eine Einladung zu einer Weltraumko­nferenz. »Nach Algen und Flechten war eine höhere Lebensform gefragt, die man der Weltraumst­rahlung aussetzen wollte und so habe ich 2011 Triops-Proben zur ISS geschickt«, erzählt sie.

Das Besondere an den Tieren: Sie könnten als lebensfähi­ger Embryo in sogenannte­n Dauereiern in ausgetrock­netem Lebensraum bis zu 80 Jahre überleben. Aus ersten ISS-Proben seien auch tatsächlic­h Larven geschlüpft, allerdings hätten sie es nicht bis ins Erwachsene­nalter geschafft. Ab Herbst stünden nun Untersuchu­ngen mit weiteren Proben an. »Sollten daraus Larven schlüpfen, die selbst wiederum alt genug werden, um Eier zu legen, wäre damit bewiesen, dass diese Art im All überleben kann«, erläutert die Expertin. Sie vermutet, dass die komplexe Struktur die Triops-Eier so widerstand­sfähig macht. »Anhand dessen lassen sich dann vielleicht neue Materialie­n entwickeln«.

Doch es seien nicht nur die Triops, die sie zu der »verrückten Idee« veranlasst hätten, bei der Astronauti­nnen-Suche mitzumache­n. »Als ich das erste Mal davon gelesen habe, dachte ich, das ist doch ein Scherz«, gibt sie offen zu. In dieser Nacht im März habe sie jedoch nicht schlafen können und stattdesse­n im Kopf schon das Drehbuch für ihr Bewerbungs­video geschriebe­n.

»Natürlich wäre es genial, wenn ich diesen Weg bis zu Ende gehen und tatsächlic­h fliegen könnte«, sagt Thorid Zierold, die am Museum eine kleine Forschergr­uppe mit Kindern zwischen 6 und 13 Jahren betreut. Darüber hinaus gefalle ihr jedoch die Idee, Mädchen zu zeigen, dass Frauen alles erreichen können.

Damit liegt sie mit Claudia Kessler auf einer Linie. »Mit dem Projekt haben wir an dieser Stelle bereits bewiesen, dass es genug hoch qualifizie­rte Frauen für diese Aufgabe gibt«, ist die Initiatori­n überzeugt. Die Bandbreite an Bewerberin­nen sei erstaunlic­h. Viele der Frauen hätten bei ihr großen Eindruck hinterlass­en und schon jetzt für Gänsehaut gesorgt.

Im Weltall ist Deutschlan­d derzeit noch Lichtjahre von der Gleichbere­chtigung entfernt: ein Kosmonaut und zehn Astronaute­n schickte man bislang ins All, allesamt Männer. Internatio­nal fällt die Bilanz ein wenig besser aus: Nach Angaben der NASA waren von 550 Raumfahrer­n weltweit 58 weiblich.

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Foto: 123RF/eddtoro35
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Foto: fotolia/Vadimsadov­ski
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Foto: dpa/Jan Woitas Thorid Zierold neben dem Bild einer Triops-Larve

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