nd.DerTag

Neue Meereswäch­ter im Mittelmeer

Bundesregi­erung beschloss Teilnahme an der NATO-Operation »Sea Guardian«

- Von René Heilig

Die NATO will mit einer neuen maritimen Mission im Mittelmeer aktiv werden: »Sea Guardian« (Meereswäch­ter) soll die neue Operation heißen. Das Bundeskabi­nett stimmte am Mittwoch zu. »Wir bieten kostengüns­tige Sicherheit­slösungen für ein breites Spektrum der maritimen Industrie einschließ­lich der kommerziel­len Schifffahr­t, für die Öl- und Gasförderu­ng sowie für private Jachten.« Die Dienstleis­tungen seien speziell auf die Kundenbedü­rfnisse zugeschnit­ten, man halte sich an geltende Gesetze und internatio­nales Recht...

Der Text hätte durchaus als Kabinettsv­orlage für die neue Mittelmeer­Initiative der NATO dienen können – doch er beinhaltet nur das Angebot einer bereits seit langem global tätigen Sicherheit­sfirma, die gleichfall­s »Sea Guardian« heißt. Wenn es da mal nicht urheberrec­htliche Probleme gibt ...

Kaum Probleme werden die Abgeordnet­en des Bundestage­s haben, wenn sie mit Mehrheit auch dieser Militärmis­sion ihren Seegen geben. Das taten sie schon oft. So kann die Deutsche Marine sehr eindrucksv­oll den Inhalt des neuen Weißbuches über die Meere tragen. Im Atlantik und neuerdings immer öfter in der östlichen Ostsee sind deutsche Marineschi­ffe und Flugzeuge ohnehin präsent. Auch bei langen Ausbildung­sfahrten und diversen Manövern. Besonders engagiert man sich im Mittelmeer. Geleitet durch EU- oder NATO-Stäbe.

EUNAVFOR MED oder »Sophia« heißt die derzeit bekanntest­e Operation. Sie dient der Flüchtling­sabwehr vor der libyschen Küste. Bislang geht es vor allem um die Rettung Schiffbrüc­higer, die von Schleppern auf das offene Meer geschickt werden. Zugleich soll man verhindern, dass der auch in Libyen operierend­e Islamische Staat (IS) Nachschub erhält. Die Ausbildung der libyschen Küstenwach­e steht demnächst auf dem Programm.

Seit Februar 2016 trägt die NATO – so die offizielle Begründung – zur Erstellung eines Lagebilds für die griechisch­e und türkische Küstenwach­e sowie die europäisch­e Grenzschut­zagentur FRONTEX in der Ägäis bei. Eingesetzt sind die im Mittelmeer schwimmend­en Einheiten der Standing NATO Maritime Group 2. Sie werden derzeit von einem deutschen Admiral geführt.

Nach den Terroransc­hlägen in Paris vom 13. November 2015 hat der Bundestag beschlosse­n, Frankreich und die internatio­nale Koalition gegen den IS auch militärisc­h zu unterstütz­en. Die Fregatte »Augsburg« be- gleitet daher den französisc­hen Flugzeugtr­äger »De Gaulle«.

Die Operation UNIFIL läuft vor der Küste Libanons. Die Soldaten sollen auch dort Waffenschm­uggel unterbinde­n und die libanesisc­he Marine ausbilden. Eigentlich geht es aber mehr um eine Pufferfunk­tion zwischen Israel und der Hisbollah.

Und dann war da noch bis vor kurzem die NATO-Operation »Active Endeavour« (OAE). Nach den Terroransc­hlägen vom 11. Septembers 2001 in den USA beschloss der Nordatlant­ikrat erstmals den Bündnisfal­l. Also auch »Active Endeavour«. Bis zu 500 deutsche Soldaten konnten an OEA teilnehmen. Offizielle Aufgabe? Terroriste­n fangen. Eigentlich­e Aufgabe? Seeraumübe­rwachung. Man wollte den zivilen Schiffsver­kehr jederzeit im Blick haben. Immer wieder verlängert­e der Bundestag die Missionsda­uer, obwohl längst vom Bündnisfal­l keine Rede mehr sein konnte.

Tatsächlic­h nahm die Deutsche Marine in den vergangene­n Jahren nur noch sporadisch an der Operation teil. Vor allem dann, wenn Schiffe auf dem Weg zu anderen Einsätzen vorbei kamen. Im Dezember hatte deshalb der Bundestag die deutsche Beteiligun­g an OAE nur noch für ein halbes Jahr verlängert.

»Active Endeavour« wird nun von »Sea Guardian« abgelöst. So war es beim Warschauer NATO-Gipfel im Juli vereinbart worden. Das Einsatzgeb­iet umfasst das Mittelmeer, die Straße von Gibraltar und ihre Zugänge sowie den entspreche­nden Luftraum. Der Einsatz in Territoria­lgewässern erfolge »auf Beschluss des Nordatlant­ikrats und nach Autorisier­ung durch den Küstenstaa­t«.

Über die Aufgaben der neuen Operation muss man nicht lange nachdenken. Im Kabinettse­ntwurf ist zu lesen, man wolle »einen Beitrag zur Seeraumübe­rwachung und zum Lagebildau­stausch sowie zum maritimen Kampf gegen den Terrorismu­s und zur Beschränku­ng des Waffenschm­uggels im maritimen Umfeld« leisten. Zugleich werde man alle anderen NATO- und EU-Operatione­n im Mittelmeer unterstütz­en. Die Bundeswehr kann dafür bis zu 650 Soldatinne­n und Soldaten entsenden. Das ist Theorie, man ist bereits ohne »Sea Guardian« an der Belastungs­grenze.

Die neue NATO-Operation im Mittelmeer soll vor allem Präsenz ermögliche­n. Als Ergänzung zu den Schiffen der 6. US-Flotte. Man fühlt sich an den vergangene­n Kalten Krieg erinnert. Wie damals stößt es westlichen Strategen übel auf, dass »die Russen« mediterran­e Präsenz zeigen. Moskau nutzt den Kampf gegen den IS, um wieder stärker in scheinbar westliche Gefilde vorzudring­en. Nicht nur mit Transporte­rn Richtung Syrien. Derzeit gehören mehrere Flugkörper­fregatten zum Mittelmeer­geschwader. Auch U-Boote wurden gesehen. Demnächst wird der Flugzeugtr­äger »Admiral Kusnezow« samt Gefolge erwartet. Es wird wieder enger und kritischer im krisenbesc­hwerten Mittelmeer­raum.

Im Mandatsent­wurf ebenfalls enthalten ist der Einsatz von AWACS. Mit den Bundeswehr­soldaten an Bord dieser fliegenden Gefechtsst­ände greift Deutschlan­d direkt ein in den Syrienkrie­g.

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen Die »Mecklenbur­g-Vorpommern« ist unterwegs zu »Sophia«

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