Aus Stufen werden Grade
Krankenkassen sehen Pflegereform unproblematisch
2017 werden die Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt. Man rechnet mit mehr Pflegebedürftigen. Doch auch der Umfang des Personals dürfte sich erhöhen. Vom Januar 2017 an gibt es statt der bisher vier Pflegestufen von Null bis Drei nun fünf Pflegegrade. Diese Umstellung soll gleichzeitig weg von der bisherigen Minutenpflege hin zur Orientierung auf die Selbstständigkeit führen. Ist Letztere eingeschränkt, wird der Alltag dadurch nur noch schwer bewältigt. Hier soll die Hilfe ansetzen. Laut Gernot Kiefer vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) bedeutet das mehr Aufwand und Zeit. Eine »große Körperpflege« wird dann zum Beispiel nicht mehr einfach zügig von der Pflegekraft abgearbeitet, sondern sie leistet Hilfestellung bei den Dingen, die Betroffene nicht mehr selbst tun können.
Wie das alles vorbereitet ist, darüber beriet am Mittwoch in Berlin der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit weiteren Akteuren, darunter dem Medizinischen Dienst und Leistungserbringern. Auf keinen Fall sollen Pflegebedürftige weniger Leistungen erhalten als bisher, hieß es. Dazu würden alle bisherigen Leistungsempfänger de facto nach oben gestuft, jene mit »eingeschränkter Alltagskompetenz« sogar um zwei Stufen. Hierbei geht es vor allem um Demenzkranke, die bei sonstiger Selbstständigkeit und Mobilität bisher die Pflegestufe 0 hatten – sie erhalten ab 1. Januar den Pflegegrad 2. Insgesamt sollen die speziellen Bedürfnisse von 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung erstmals gleichberechtigt berücksichtigt werden.
Die formelle Umstellung erfordert jedoch die Information aller zur Zeit rund drei Millionen Betroffenen – darauf seien die Pflegekassen laut Kiefer vorbereitet. Neben Flyern, Mitgliederzeitschriften und persönlichen Gesprächen wird zwischen Oktober und Dezember an die Pflegebedürftigen ein Bescheid versandt, der sie über den künftigen Pflegegrad, die neuen Leistungen und die Überleitungsregeln informiert. Darüber hinaus seien fachlich umfassend besetzte Pflegestützpunkte, wohnortnah und quartiersbezogen, nötig. Das forderte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, erneut von der Politik. Aufgaben, Strukturen und Finanzierung müssten klarer definiert werden. Mascher setzte sich außerdem dafür ein, dass die Bescheide nicht erst kurz vor Weihnachten eintreffen sollten, um ausreichend Zeit für einen Widerspruch zu geben.
Woher das ab Januar zusätzlich benötigte Personal kommen wird und wie die Pflegeeinrichtungen und -dienste mit den wachsenden Einnahmen umgehen werden, ist noch nicht klar. In vier Bundesländern, darunter Berlin und Brandenburg, wurden pro Pflegeeinrichtung zwei bis drei zusätzliche Stellen hochgerechnet. Insgesamt gibt es bundesweit 13 000 Pflegeheime. Jedes muss nun die Pflegesätze neu verhandeln, was bis Oktober zu 90 Prozent erledigt sein soll. Zu den Neuerungen in den Heimen gehört, dass sich die Eigenanteile bei den Pflegegraden 2 bis 5 mit fortschreitender Pflegebedürftigkeit nicht mehr erhöhen werden.
Auch für die 11 000 ambulanten Pflegedienste müssen neue Leistungsbeschreibungen erarbeitet werden. Das wird vermutlich erst im Laufe des ersten Quartals 2017 abgeschlossen, schätzt Gernot Kiefer. Er kündigte an, dass die Pflegekassen die Einstellung von zusätzlichem Personal auch kontrollieren werden.