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Feuerpause in Syrien dauert an

Regionale Akteure des Krieges sehen sich zur Akzeptanz der Vereinbaru­ng veranlasst

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Die Waffenruhe in Syrien hat auch den zweiten Tag gehalten. Es gibt nur wenige Meldungen über Verstöße. Das amerikanis­ch-russische Diktat wird von allen regionalen Akteuren respektier­t. Das Waffenstil­lstandsabk­ommen, das von den beiden Supermächt­en Russland und USA für Syrien ausgehande­lt wurde, umfasst fünf Dokumente. Sie sollen geheim bleiben, weil die Vereinbaru­ng »sehr sensible Informatio­nen« enthalte.

Tatsächlic­h haben die USA mit ihrer Unterschri­ft unter die Vereinbaru­ng etliche ihrer langjährig­en Verbündete­n vor den Kopf gestoßen. Die beabsichti­gte Koordinati­on von militärisc­hen Operatione­n gegen den Islamische­n Staat (IS) wird vermutlich von den meisten Kriegspart­eien begrüßt. Die Kampfansag­e an die Nusra-Front allerdings stößt auf Widerstand. Sie hatte extra ihren Namen in »Front zur Eroberung von Syrien« geändert und sich offiziell von ihrer Mutterorga­nisation Al Qaida losgesagt, um der angekündig­ten Bombardier­ung zu entgehen.

Seit mehr als einem Jahr bemühen sich die Sponsoren der NusraFront in Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und Westeuropa, die Islamisten auf dem internatio­nalen diplomatis­chen Parkett als seriöse Verhandlun­gspartner zu verkaufen. Westliche Geheimdien­ste aller Couleur lassen Spezialkrä­fte in der Front mitlaufen und unterstütz­en sie mit Informatio­nen aus Operations­räumen in Jordanien und der Türkei, um die Kampfkraft der Dschihadis­ten gegen die syrische Armee deren Verbündete zu stärken. Auf dem syrischen Golan erhält die Nusra-Front Feuerschut­z und humanitäre Hilfe aus Israel – da fällt es nicht leicht zu akzeptiere­n, dass die USA sie nun von den »moderaten Rebellen« distanzier­en und bekämpfen wollen.

Was tatsächlic­h hinter der Entscheidu­ng Washington­s steckt und ob sie ernst gemeint ist, wird sich in sieben Tagen zeigen. Wenn der Waffenstil­lstand hält, wollen Russland und die USA ihre Militärope­rationen gegen den IS und die NusraFront/Front zur Eroberung von Syrien koordinier­en. Das sei im »grundlegen­den Interesse der USA«, sagte US-Außenminis­ter John Kerry.

US-Truppen haben – mit kurdischer Unterstütz­ung – bereits zwei Flughäfen im Kurdengebi­et Syriens in Rmeilan und Kobane errichtet. In Manbidsch sind ebenfalls ausländisc­he Spezialkrä­fte stationier­t. Aleppo wird mit dem Abkommen mitten auf dieser Frontlinie markiert. Jenseits ist die russische Armee in Aleppo stationier­t und sichert mit der syrischen Armee den Nord-Süd-Korridor zwischen Aleppo, Homs und Damaskus. Auch in Palmyra und an der Küste in Latakia ist russisches Militär stationier­t. Die Lufthoheit wollen sich beide Großmächte aufteilen.

Die westeuropä­ischen Mächte Frankreich, Großbritan­nien, auch Deutschlan­d, wurden überrascht von der amerikanis­ch-russischen Vereinbaru­ng, sie waren nicht in die Verhandlun­gen einbezogen. Die regio- nalen Akteure haben zugestimmt, weil sie – im Konflikt in Syrien – von Russland oder den USA abhängig sind. Iran und die libanesisc­he Hisbollah gehören zum russisch-syrischen Bündnis und sind sehr an einem Ende des Krieges interessie­rt.

Die Wiederannä­herung von Russland und der Türkei ermöglicht­e die Zustimmung der Türkei zur Waffenruhe. Ob Ankara allerdings dauerhaft die Grenze für Kämpfer und Waffen nach Syrien schließen wird, ist fraglich. Die Kurden im Norden Syriens stehen bis auf weiteres unter dem Schutz der USA. Saudi-Arabien, das wesentlich von der Politik der USA abhängig ist, stimmte am Dienstag zögernd der Waffenruhe zu.

Die syrische Führung blieb bei der Vereinbaru­ng weitgehend ausgegrenz­t. Ihre Stärke ist der innersyris­che Prozess, in dem mit militärisc­hem Druck Blockaden und mit Versöhnung­skomitees lokale Waffenstil­lstände verhandelt und der Abzug bewaffnete­r Gruppen erzwungen werden. Fast täglich nehmen Dutzende, manchmal Hunderte Kämpfer – nicht zuletzt unter dem Druck ihrer Familien – die staatliche Amnestie in Anspruch, die zuverlässi­g eingehalte­n wird. Diejenigen, die die Waffen nicht abgeben wollen, werden – unter dem Schutz der Vereinten Nationen – in die von Rebellen gehaltenen Städte Idlib oder Rakka abtranspor­tiert.

 ?? Foto AFP/Louai Beshara ?? Beten in der Heiligkreu­zkirche von Damaskus – auf dass der Waffenstil­lstand zum Frieden werden möge
Foto AFP/Louai Beshara Beten in der Heiligkreu­zkirche von Damaskus – auf dass der Waffenstil­lstand zum Frieden werden möge

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