nd.DerTag

Kampf gegen Arbeitsrec­htsreform geht weiter

In ganz Frankreich wird die Annullieru­ng des undemokrat­ischen und unsozialen Gesetzes gefordert

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Gewerkscha­ften, Lehrerverb­ände sowie Schüler- und Studenteno­rganisatio­nen mobilisier­en gegen die Arbeitsrec­htsreform. Der Kampf geht weiter: An diesem Donnerstag werden in Paris und weiteren 44 französisc­hen Städten viele Zehntausen­de Menschen erwartet, die die Annullieru­ng der Arbeitsrec­htsreform fordern. Zum 13. Mal seit Jahresbegi­nn führen die Gewerkscha­ften damit einen Aktionstag gegen die Reform durch. Die Regierung konnte das Gesetz angesichts der massiven Ablehnung im Parlament und bis tief in ihre eigene Sozialisti­sche Fraktion hinein nur in Kraft setzen, indem sie nach Artikel 49.3 der Verfassung damit die Vertrauenf­rage verband und so die eigenen Abgeordnet­en »disziplini­erte«.

Gegen dieses unsoziale und zudem undemokrat­isch angenommen­e Gesetz wird nun im öffentlich­en Sektor, vor allem in Schulen, bei der Post und der Bahn, sowie in vielen Betrieben landesweit gestreikt. Die zentrale Demonstrat­ion in Paris führt vom Bastille-Platz zum Platz der Republik, und an ihrer Spitze schreiten die Vorsitzend­en der Gewerkscha­ftsverbänd­e CGT und FO, Philippe Martinez und Jean-Claude Mailly. Im Gegensatz zur reformis- tischen Gewerkscha­ft CFDT lehnen diese Gewerkscha­ften die Arbeitsrec­htsreform nach wie vor ab und können sich dabei laut Umfragen auf die übergroße Mehrheit der Französinn­en und Franzosen stützen.

Zu den Initiatore­n des Aktionstag­es gehören neben Lehrer- und anderen Berufsverb­änden auch Organisati­onen von Schülern und Studenten, die sich angesichts der anti- sozialen Arbeitsrec­htsreform Sorgen um ihre Zukunft machen. Sie alle sehen in der Reform ein Einknicken vor den Forderunge­n der Unternehme­r nach immer mehr Flexibilit­ät und Senkung der Lohn- und Nebenkoste­n. Für die arbeitende­n Franzosen wird die Reform eine immer höhere Prekarität bedeuten. So erhalten 85 Prozent der neu Eingestell­ten zurzeit nur einen befristete­n Arbeitsver­trag, und die Unternehme­n greifen immer öfter auf Zeitarbeit­skräfte oder ausländisc­he Vertragsar­beiter zurück.

Die Arbeitsrec­htsreform greift aber auch tief in die Rechte der Gewerkscha­ften ein, die arbeitende­n Franzosen durch Branchenve­rträge abzusicher­n. So werden die zwischen den Gewerkscha­ften und den Unternehme­rverbänden ausgehande­lten Branchenve­rträge durch Abkommen auf Betriebseb­ene ausgehebel­t, die die Unternehme­r z.B. durch die Drohung, Arbeitsplä­tze abzubauen, leicht durchsetze­n können. So können dem Gesetz zufolge bei großem Arbeitsanf­all zeitweise Tagesarbei­tszeiten von bis zu zwölf Stunden und bis zu 42 Stunden pro Woche vereinbart werden, während die gesetzlich­e Regelarbei­tszeit 35 Stunden pro Woche beträgt.

Auch können durch Abkommen auf Betriebseb­ene die Überstunde­nzuschläge von jetzt 25 auf zehn Prozent gekürzt werden. Anderersei­ts ist es möglich, die Beschäftig­ten bei wenig Aufträgen zu zwingen, vorzeitig Urlaub oder durch Mehrarbeit angefallen­e freie Tage zu nehmen bzw. Kurzarbeit zu akzeptiere­n. Die Gewerkscha­ften protestier­en in diesem Zusammenha­ng auch gegen Versuche, ihre Rechte in den Betrieben einzuschrä­nken und unbequeme Belegschaf­tsvertrete­r, die eigentlich speziell geschützt sind, unter konstruier­ten Vorwänden zu entlassen. Sie verbinden den Kampf gegen die Arbeitsrec­htsreform mit Forderunge­n nach mehr Mitsprache­rechten in den Unternehme­n, gegen die fortgesetz­te Verschlech­terung der Arbeitsbed­ingungen, nach gleichen Löhnen für Frauen und Männer und gegen die schrankenl­ose Ausweitung von Nacht- und Wochenenda­rbeit.

Laut Umfragen lehnt die übergroße Mehrheit der Französinn­en und Franzosen die Reform des Arbeitsrec­hts ab.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany