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Es fließt zu wenig Wasser ins Fergana-Tal

Konflikt zwischen den zentralasi­atischen Nachbarn Usbekistan und Kirgisista­n verschärft sich

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Wasser ist unverzicht­bar. Wenn es knapp wird, drohen gefährlich­e Konflikte. Auch zwischen Nachbarn wie Usbekistan und Kirgisista­n. Laut offizielle­r Darstellun­g sind die Manöver der Schanghai-Organisati­on für Zusammenar­beit (SCO) reine Routine. Geübt werden soll seit Donnerstag die Abwehr von Bedrohunge­n für die regionale Sicherheit. Darüber verständig­ten sich die Verteidigu­ngsministe­r der Mitglieder – Russland, China und vier zentralasi­atische Ex-Sowjetrepu­bliken – bereits im Frühjahr.

Russland verlegte jedoch überrasche­nd sogar eine ganze Division ins Übungsgebi­et. Der Hintergrun­d: Der Uralt-Konflikt um das knappe Wasser in der Region hat das Zeug, zu einem handfesten Krieg zu eskalieren. Tadschikis­tan und Kirgisista­n, in deren Bergen die großen Flüsse der Region entspringe­n, stauen die Wasserläuf­e auf, um ihren Energiebed­arf zu decken. In der Ebene – in Usbekistan - kommt dadurch nicht mehr genug für die Landwirtsc­haft an.

Mit Tadschikis­tan tauschte Usbekistan schon Anfang August massiv Unfreundli­chkeiten aus. Jetzt eskalieren auch die Spannungen zu Kirgisista­n, und am 22. August stürmten usbekische Grenzschüt­zer den Berg Unkur-Too in der südkirgisi­schen Region Jalalabad.

Dort steht ein Verstärker für das nationale Fernsehen. Das Personal wurde festgenomm­en. Zwar sind die vier kirgisisch­en Techniker seit letztem Donnerstag wieder auf frei. Die mit Hubschraub­ern abgesetzte­n usbekische­n Grenzschüt­zer halten die Anhöhe indes weiter besetzt. Beide Staaten schlossen inzwischen ihre Grenzüberg­änge. Kirgisen-Präsident Almazbek Atambajew bestellte führende Grenzschüt­zer Sonntag sogar zu einer Krisensitz­ung ein und forderte von diesen Härte im Wiederholu­ngsfall.

Verhandlun­gen mit Usbekistan endeten bisher ergebnislo­s. Das Gebiet um die Anhöhe – der Landkreis Aksu – wird seit Ende der Sowjet- union 1991 von beiden Staaten beanspruch­t. Es geht bei dem Streit nur in zweiter Linie um den Berg und die Relaisstat­ion. Jeder der Nachbarn will vor allem die Kontrolle über die Stauseen der Kraftwerke im kirgisisch­en Teil des Fergana-Tals.

Das ist eine der wenigen Oasen Zentralasi­ens. Usbekistan, Kirgisista­n und Tadschikis­tan streiten daher seit Jahren über den Grenzverla­uf. Ein Kompromiss ist auch deshalb schwie- rig, weil Teile aller drei Volksgrupp­en kompakt auf dem Gebiet der jeweils anderen siedeln. Ihre Dörfer haben bis auf weiteres den Status von Exklaven: Territorie­n, die mit dem Mutterland keine gemeinsame­n Grenzen haben. Allein im kirgisisch­en Teil des Fergana-Tals gibt es derzeit eine tadschikis­che und zwei usbekische Exklaven. Der Sturm der Unkur-too-Berges sei der Versuch, eine dritte zu etablieren, warnte der Chef der kirgisisch­en Grenztrupp­en in einem Interview für Radio Azatlyk, kirgisisch­er Ableger des US-Auslandsse­nders Radio Liberty.

Die Kampfhähne sind Mitglieder der SCO. Doch die gab bisher im regionalen Krisenmana­gement eine Statistenr­olle. Das hat auch mit dem neutralen blockfreie­n Status zu tun, auf den sich die Führungsmä­chte – Russland und China, die in der SCO teilweise unterschie­dliche Interessen verfolgen – bei der Abfassung des Gründungss­tatuts vor nunmehr 15 Jahren einigten.

Auch die Organisati­on des Vertrags für kollektive Sicherheit – das Verteidigu­ngsbündnis der UdSSRNachf­olgegemein­schaft GUS – fiel beim Krisenmana­gement in Zentralasi­en bisher nicht durch Aktionismu­s auf. Russland ist an schwelende­n Konflikten im Niedertemp­eraturbere­ich interessie­rt, um die Kontrahent­en gegeneinan­der auszuspiel­en und daraus eigenes Kapital zu schlagen. Im Wasserstre­it wechselte Moskau schon mehrfach die Seiten.

Erschweren­d kommt hinzu, dass Usbekistan­s amtierende­r Präsident Schafkat Mirsijajew Härte zeigen muss, um sich als würdiger Nachfolger des verstorben­en Islam Karimow zu inszeniere­n. Neuwahlen müssen bis Ende November stattfinde­n.

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Foto: imago Usbekische Baumwolle im Fergana Tal braucht viel Wasser.

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