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Das blaue Licht ist nur im Märchen gut

Abendliche Computerbe­leuchtung kann den Körper in die Irre führen

- Von Andrea Tebart

Wer am Abend noch Smartphone oder Tablet-Computer nutzt, kann Einschlafp­robleme bekommen. Das blaue Licht ist schuld daran. Statt am Abend in einem Buch zu lesen, schauen viele Menschen lieber Webseiten an, verschicke­n Mails und Selfies oder chatten bis spät in die Nacht. Die Ursache für die daran anknüpfend­e Schlaflosi­gkeit ist blaues Licht, das die Geräte ausstrahle­n – nicht zu verwechsel­n mit dem blauen Licht aus dem Grimmschen Märchen, das den Protagonis­ten reich und glücklich machte. Die Wellenläng­e des blauen Lichts macht munter, weil Rezeptoren in der Netzhaut sensibel reagieren und das Protein Melanopsin produziere­n. Darüber wird dann quasi die Botschaft an die innere Uhr im Gehirn geschickt. Und die heißt ganz eindeutig: »Es ist hell!« Egal, wie hell oder dunkel es draußen tatsächlic­h ist. Ein Phänomen, das wach macht, wie Chronobiol­ogen bestätigen.

Christian Benedict und Frida Rångtell, Schlaffors­cher an der schwedisch­en Universitä­t Uppsala, haben nun herausgefu­nden, was die Schlafschw­ierigkeite­n beim nächtliche­n Einsatz digitaler Geräte stoppen kann. Das Zauberwort ist – schlicht – Tageslicht. Und zwar viel davon.

«Wir haben festgestel­lt, dass unsere Probanden Smartphone und Co. ohne spätere Schlafprob­leme nutzen können, wenn sie sich während des Tages viel im Freien aufhalten«, erklärt Frida Rångtell. »Und zwar dann, wenn sie abends bzw. nachts diese blau leuchtende­n digitalen Geräte für maximal zwei Stunden in Gebrauch haben«. Und Christian Benedict ergänzt, dass auch der Einsatz von Glühlampen, die Tageslicht ausstrahle­n, im Büro den Aufenthalt im Freien erfolgreic­h simulieren kön- nen. Allerdings sollte sowohl das eine als auch das andere Tageslicht 6,5 Stunden auf die Betroffene­n einwirken.

Um überhaupt einschlafe­n zu können, muss unter anderem das Schlaf fördernde Hormon Melatonin aktiviert werden. Erst bei Dunkelheit entfaltet es seine volle Kraft und lässt Menschen schlafen. Aber: durch Helligkeit, also auch durch blaues Licht, wird seine Bildung in der Zirbeldrüs­e gehemmt und der Schlaf boykottier­t. Die schwedisch­en Ergebnisse von Benedict und Rångtell basieren auf anderen internatio­nalen Studien. In den USA stellten Wissenscha­ftler fest, dass allein das Arbeiten am Bildschirm die Konzentrat­ion von Melatonin um 23 Prozent reduziere. Und Ergebnisse aus Berlin zeigen, dass Schüler, die abends am Computer gearbeitet hatten, am nächsten Tag deutlich müder waren als diejenigen, die zur selben Zeit – für die Forschung – ein Buch gelesen hat- ten. Das Interessan­te an dieser Untersuchu­ng: eine Woche später tauschten die Schüler die Rollen. Das Ergebnis war dasselbe. Lesen am Tabloid machte die Schüler am nächsten Tag müder als das Buch gleichen Inhalts aus Papier.

Eine andere Variante, das blaue Licht von digitalem Equipment in seine Grenzen zu weisen, sind Experten mit der Entwicklun­g von neuen Apps angegangen. Mit deren Hilfe verändert sich das Bildschirm­licht am Tag. Morgens hat es einen hohen Anteil an blauem Licht. Am Abend verdrängen gelbes und rotes Licht den Blau-Anteil, so dass die Nutzer später besser einschlafe­n können. Entspreche­nde Brillen, die das blaue Licht filtern, gibt es ebenfalls auf dem Markt. Alternativ können elektronis­che Geräte aber frühzeitig abgeschalt­et werden. Oder man verbringt den Tag hauptsächl­ich im Freien, wie es die schwedisch­en Forscher vorschlage­n.

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