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LINKE will Ex-GSW zurückkauf­en

In mietenpoli­tischem Papier fordern Sozialiste­n Kehrtwende in der Wohnungspo­litik

- Von Nicolas Šustr und Martin Kröger

Über 100 000 preisgünst­ige Wohnungen fehlen schon jetzt in der Stadt. Mit Rekommunal­isierung im großen Stil will die LINKE Druck von den Mietern nehmen. Die Linksparte­i will die 2004 verkauften Wohnungen der GSW zurück in die öffentlich­e Hand bringen. Das geht aus einem aktuellen mietenpoli­tischen Papier der Partei hervor, das »nd« exklusiv vorliegt. »Welche Instrument­e dafür zur Verfügung stehen, wird derzeit geprüft«, heißt es in dem vierseitig­en Text, den unter anderem der Spitzenkan­didat der LINKEN, Klaus Lederer, und die Wohnungsex­pertin, die ehemalige Senatorin Katrin Lompscher, verfasst haben.

Gemeinsam mit Mieterinit­iativen will die LINKE nach Wegen suchen, die Wohnungen zu rekommunal­isieren. Tatsächlic­h hat die Mietergeme­inschaft »Kotti & Co« bereits ein Modell entwickelt, wie eine Rückführun­g der rund 1500 Wohnungen am Südrand des Kottbusser Tors in Kreuzberg in öffentlich­es Eigentum möglich wäre. Rund 30 Millionen Euro würde das nach Berechnung­en der Initiative kosten, wenn die noch auf den Objekten liegenden Darlehen gegengerec­hnet werden. Dabei gehen sie von den besonderen Bedingunge­n eines Milieuschu­tzgebietes aus. »Es wäre ganz wichtig, dass man den Kauf am Kotti als Modellproj­ekt versteht«, sagt Tashy Endres von »Kotti & Co«. Das Mieterbünd­nis will jedoch eine von den Bewohnern getragene Verwaltung­sgenossens­chaft mit im Boot haben, um größere Kontrolle zu erlangen. »Wir trauen der Politik nicht mehr so recht über den Weg«, sagt Endres. Schließlic­h habe das Land die Bestände einst privatisie­rt.

Hochgerech­net auf die 65 700 Wohn- und Gewerbeein­heiten der »Gemeinnütz­igen Siedlungs- und Wohnungsba­ugesellsch­aft« (GSW) würden Kosten von mindestens 1,3 Milliarden Euro für die Übernahme des gesamten ehemaligen Bestands anfallen. Vor zwölf Jahren ist die GSW für einen Preis von 405 Millionen Euro sowie die Übernahme von 1,56 Milliarden Euro Schulden an das private Konsortium von Whitehall und Cerberus vom Land Berlin verkauft worden. Heute gehört ein Großteil der Wohnungen zum Wohnungsun­ternehmen Deutsche Wohnen. 2004 herrschte eine große Haushaltsn­otlage im Land Berlin, der Verkauf der öffentlich­en Wohnungen war dennoch höchst umstritten. Durch die Privatisie­rung wurde das Image der LINKEN in der Folge nachhaltig geschädigt.

Reiner Wild, Geschäftsf­ührer des Berliner Mietervere­ins, begrüßt das grundsätzl­iche Ziel durchaus. Er hegt jedoch starke Zweifel an der Umsetzbark­eit. »Es muss auch einen Verkäufer geben«, sagt er. Die Deutsche Wohnen, jetzige GSW-Eigentümer­in, habe bisher kein Interesse daran bekundet. »Es gilt, erfolgreic­h ein preisbegre­nzendes Vorkaufsre­cht zu etablieren«, so Wild. Allein schon die öffentlich­e Äußerung einer Kaufabsich­t hält er für problemati­sch. »Schon das führt zu einer Preissteig­erung.« Bei der LINKEN ist man sich der vielen ungelösten Fragen durchaus bewusst. »Ursprüngli­ch wollten die Anteilseig­ner der Wasserbetr­iebe auch nicht verkaufen«, gibt sich Thomas Barthel, Sprecher der Berliner Linksparte­i, zuversicht­lich.

Die Reaktion der Deutsche Wohnen auf solche Pläne fällt denkbar knapp aus: »Es gibt keinen Anlass, diese Idee zu kommentier­en«, sagt Sprecherin Manuela Damianakis auf nd-Anfrage.

Um die »Kehrtwende« in der Wohnungspo­litik einzuleite­n, fordert die LINKE in ihrem Papier darüber hinaus, die kommunalen Wohnungsun­ternehmen jährlich mit einem zweckgebun­denen Zuschuss von 200 Millionen Euro für das Eigenkapit­al auszustatt­en, um durch Neubau, Umbau, Sanierung und Ankauf mehr bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen. »Wir wollen nicht, dass die Unternehme­n wieder in eine Situation wie in den 90er Jahren kommen«, erklärt Barthel. Um die hohen Schulden zu reduzieren wurden Wohnungsbe­stände verkauft und Mieten erhöht. »Es soll kein ungesundes Maß an Schulden entstehen«, so Barthel.

»Ursprüngli­ch wollten die Anteilseig­ner der Wasserbetr­iebe auch nicht verkaufen.« Thomas Barthel, Sprecher LINKE Berlin

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Foto: nd/Ulli Winkler Der markante Turm der ehemaligen GSW-Zentrale in Kreuzberg mit rosarotem Sonnenschu­tz war eine Landmarke.

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