Darf’s ein bisschen mehr sein?
FIFA-Chef Gianni Infantino lässt mit seiner Idee von 48 Teams bei der WM 2026 die Fußballwelt rätseln
Im Kolumbien stellte Gianni Infantino seine Ideen für ein neue WMTurniermodell vor: 32 Teams in einer Playoff-Runde, deren 16 Sieger in die Gruppenphase einziehen und auf 16 gesetzte Teams treffen.
In Kolumbien werden dieser Tage nicht nur Referenden mit schockierenden Ergebenissen abgehalten. Auch Sportpolitiker sorgen dort dieser Tage für einiges Entsetzen. FIFAPräsident Gianni Infantino weilte am Wochenende in der Hauptstadt Bogota, um dem Finale der Futsal-WM beizuwohnen, jener Hallenfußballvariante mit schlaffem, kleinem Ball, die nach FIFA-Willen demnächst die Sporthallen dieser Welt erobern soll.
Nachdem Infantino am Samstagabend den siegreichen Argentiniern den Futsalweltpokal überreicht hatte, zog er weiter und hielt am Montag eine Rede in der Sergio-AboledaUniversität, wobei er einen interessanten Testballon aufsteigen ließ: Infantino soll erklärt haben, so berichteten es kolumbianische Zeitungen, wenn es nach ihm ginge, werde es 2026 eine WM mit 48 statt wie bisher 32 Teilnehmern geben.
Bei seiner Wahl zum FIFA-Präsidenten im Februar soll ihm seine Ankündigung, die WM-Endrunde auf 40 Teams aufzustocken, reichlich Stimmen aus kleineren Ländern eingebracht haben. Nach seinen neuen Plänen sollen 2026 nun zunächst 32 Mannschaften in einer Playoff-Runde gegeneinander spielen. Die 16 Sieger aus diesen Ausscheidungsspielen würden dann in die Gruppenphase einziehen und dort auf 16 gesetzte Teams treffen. Danach ginge es im üblichen WM-Modus mit Gruppenspielen und K.o.-Phase weiter, wie er seit 1998 praktiziert wird.
»Mehr Länder und Regionen in der ganzen Welt wären dann glücklich«, wird Infantino zitiert. Seine ursprüngliche WM-Vergrößerungsvorstellung aus dem FIFA-Wahlkampf im Februar erklärte er kurzerhand für hinfällig: »40 Teams, das rechnet sich nicht.«
Ein Satz, der in seiner Doppeldeutigkeit umschreibt, was Infantino umtreibt: Statt 64 würden künftig 80 Spiele bei einem Turnier gespielt, und noch dazu gleich zum Einstieg 16 mit dem Finalcharakter, den jede K.o.-Begegnung garantiert. Bei den übertragenden Fernsehsendern ließe sich dafür sicherlich eine adäquate Mehr- einnahme aushandeln. Vor allem aber bliebe der Schweizer seinem Wahlversprechen treu und würde tatsächlich auch kleinere Nationen dem Traum von der WM-Endrunde näher bringen. Dass bei 16 K.o.-Spielen auch der ein oder andere Fußball-Hinterbänkler plötzlich auf die große Bühne treten würde, wäre praktisch gesichert. Infantino könnte sich echter Entwicklungsarbeit brüsten – ob nun aus reinem Kalkül oder aus politischer Überzeugung sei dahingestellt.
Dass zumindest bei den etablierten Fußballnationen mit Entrüstung und Ablehnung zu rechnen ist, wird Infantino ganz sicher bedacht haben: Dass er seine Idee von einem Mammutturnier ausgerechnet in Bogota erstmals in die Welt streute, ist gewiss kein Zufall, wie auch die Tatsache, dass so wenige Detailfragen angerissen wurden. Wer soll sich 2026 wie qualifizieren können? Wonach sollen die gesetzten 16 Mannschaf- ten ausgewählt werden? Allein nach der FIFA-Weltrangliste, in der nur Teams aus den Kontinentalverbänden UEFA, CONMEBOL (Südamerika) und ein Team aus der CONCACAF (Nord- und Mittelamerika) unter den ersten 16 vertreten sind? Oder soll auch für die 16 Topteams ein Kontinentalschlüssel angewandt werden, wie er für das gesamte WMTurnier gilt, 2018 beispielsweise nach dem Schema 13 Teams für Europa, 5 für Afrika, je 4,5 für Asien und Südamerika, 3,5 für Nord- und Mittel- amerika und 0,5 für Ozeanien? Soll dieser Schlüssel auch für die Ansetzung der Playoff-Spiele gelten?
Ganz und gar unklar bleibt auch, welches Ausrichterland künftig 48 teilnehmende Nationen beherbergen könnte – mit möglichst 48 Trainingsplätzen, 48 Fünfsternehotels. Wie soll eigentlich vermittelbar sein, dass sich ein Nationalverband mit seiner riesigen Entourage wochenlang auf ein Turnier vorbereitet, an dem er am Ende womöglich nur 90 Minuten lang mitspielt? Erst 2017 werde über den WM-Modus abschließend entschieden, sagte gestern eine Sprecherin der FIFA gegenüber »nd«: Sie und ihre Kolleginnen wüssten selbst noch nichts Genaues von dem, was ihr Präsident in Bogota da erzählt habe.
Wegen all dieser Ungewissheiten sind bisher kaum aktuelle Reaktionen auf Infantinos Ideen zu vernehmen gewesen. In zehn Tagen tagt in Zürich das FIFA-Council.