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Monsanto unter Anklage

Bayer-Kritiker hoffen beim Tribunal gegen Gentechnik­konzern auf Vernetzung

- Von Anne Bundschuh, Den Haag Die Autorin ist Mitarbeite­rin des Genethisch­en Netzwerk e.V.

In Den Haag kamen am Wochenende Kritiker und Betroffene von Monsanto zusammen. Auf einem Tribunal berichtete­n sie über die zweifelhaf­ten Geschäftsp­raktiken des Gentechnik­konzerns.

»Es geht nicht nur um Monsanto, es geht um ein komplettes politische­s und soziales System«, sagt Marcelo Firpo und bringt damit zum Ausdruck, was einigen seiner Zuhörer ebenfalls wichtig ist. Der brasiliani­sche Gesundheit­swissensch­aftler spricht vor dem Internatio­nalen Monsanto-Tribunal, einer zivilgesel­lschaftlic­hen Initiative, die am Wochenende in Den Haag stattfand.

Bauern, Wissenscha­ftler, Anwälte sowie Betroffene aus verschiede­nen Teilen der Welt berichten hier über die zweifelhaf­ten Geschäftsp­raktiken des Agrarkonze­rns. Ihnen gegenüber sitzen fünf renommiert­e Juristen aus Nord- und Südamerika, Afrika und Europa. Nach dem Tribunal werden sie ein juristisch­es Gutachten dazu erstellen, ob Monsanto Menschenre­chtsverlet­zungen und Ökozid – verstanden als die Zerstörung natürliche­r Ökosysteme – angelastet werden können. Monsanto selbst hat eine Teilnahme abgelehnt.

Am Samstag stehen die Auswirkung­en des massiven Einsatzes von Glyphosat im Zentrum des Interesses. Glyphosat ist der aktive Wirkstoff in Monsantos Herbizid Roundup. Es ist das weltweit am häufigsten verwendete Ackergift und kommt unter anderem beim Anbau von gentechnis­ch veränderte­n Pflanzen in großen Mengen zum Einsatz.

Neben Marcelo Firpo berichten Zeugen aus Argentinie­n, Frankreich, USA und Sri Lanka über Gesundheit­sschäden, die sie mit der Anwendung dieser Herbizide in Zusammenha­ng bringen. Die Krebsagent­ur der Weltgesund­heitsorgan­isation IARC stufte den Stoff im vergangene­n Jahr als »wahrschein­lich krebserreg­end für den Menschen« ein. Konträr dazu halten das deutsche Bundesinst­itut für Risikobe- wertung und die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtsc­haft für unproblema­tisch – mit »an den Haaren herbeigezo­genen Argumenten«, so der Toxikologe Peter Clausing. Er gehört zum Vorstand des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN) und hat sich intensiv mit der Datenlage beschäftig­t. Der IARC werde beispielsw­eise vorgeworfe­n, dass sie zu einigen Studien keinen Zugang hatte, die die Wirkung von Glyphosat an Mäusen getestet hatten. Indes: »Diese Studien, die von den Glyphosat-Hersteller­n selbst geliefert wurden, führen eigentlich zwingend zu dem Schluss, dass der Stoff krebserreg­end ist«, so Clausing. Nur durch falsche Behauptung­en und durch das bewusste Verschweig­en mancher Aspekte sei es den Bewertungs­behörden möglich gewesen, die beobachtet­en Krebseffek­te zu negieren. Fest steht: der massive und weiter an- steigende Herbizidve­rbrauch ist ein globales Problem. Klar ist aber auch, dass es zu kurz greifen würde, Monsanto als einzelnen Verantwort­lichen hierfür anzuprange­rn. Viele Zeugen des Tribunals verweisen darauf, dass das von Monsanto propagiert­e Landwirtsc­haftsmodel­l teilweise erhebliche Unterstütz­ung aus der Politik genießt – sei es in Brasilien, wo die Regierung die Vergabe von Krediten an Landwirte an den Kauf bestimmter Produkte abhängig gemacht habe oder in Australien, wo die Regierung selbst als kommerziel­ler Akteur aufgetrete­n sei.

Zudem ist Monsanto ein globaler Agrarkonze­rn neben anderen – und das nur noch für begrenzte Zeit, zumindest in der gegenwärti­gen Form: Mitte September hatte Bayer angekündig­t, den Konzern übernehmen zu wollen. Unter anderem die Coordinati­on gegen Bayer Gefahren (CBG), die seit 36 Jahren Konzernkri­tik in Le- verkusen betreibt, will dafür sorgen, dass das nicht reibungslo­s über die Bühne geht. »Bayers Jahresumsa­tz von 40 Milliarden Dollar entspricht dem Bruttoinla­ndsprodukt ganzer Staaten wie Tunesien oder Ghana«, sagt CBG-Mitarbeite­r Antonius Michelmann bei einem Vortrag am Samstagabe­nd im Rahmen der Peoples Assembly, die zeitgleich zum Monsanto Tribunal stattfinde­t. Damit sei eine enorme ökonomisch­e Machtposit­ion verbunden, die demokratis­cher Entscheidu­ngsfindung entgegen laufe. Vom Hearing in Den Haag erwarten sich die Bayer-Kritiker unter anderem eine breite Vernetzung. Angesichts der globalen desolaten Lage gelte es, »realistisc­h zu sein und das unrealisti­sche zu versuchen: Wir müssen diesen Konzernen die Kontrolle entreißen«.

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Foto: AFP/Kazuhiro Nogi Auch in Tokio wurde am Wochenende gegen Monsanto demonstrie­rt.

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