nd.DerTag

Die Überrascht­e

- Von Ellen Wesemüller

Dass sich der Berliner CDU-Vorsitzend­e und Innensenat­or Frank Henkel nach der desaströse­n Wahlnieder­lage seiner Partei nicht mehr lang im Sattel halten können wird, war – außer ihm selbst – allen klar. Dass es so schnell gehen würde, eine geeignete Nachfolger­in zu finden, überrascht hingegen nicht nur politische Beobachter. Denn nicht nur ist es eine undankbare Aufgabe, den Scherbenha­ufen Großstadt-CDU zu kehren, Monika Grütters war außerdem mit ihrem aktuellen Job sehr zufrieden: Noch vor kurzem nannte sie ihr Amt als Kulturstaa­tsminister­in eine »Lebenserfü­llung«, ihren Arbeitspla­tz in der achten Etage des Bundeskanz­leramts als »schönstes Büro Deutschlan­ds«. Auch sie selbst scheint von ihrer Nominierun­g am Freitagabe­nd überwältig­t. Dem »nd« sagte sie: »Bitte haben Sie Verständni­s, dass ich mich und meine Ideen jetzt erstmal sortieren möchte – vor der Nominierun­g konnte ich ja nun gar nichts tun, und jetzt mache ich einen Plan, wie ich vorgehe. Aber zuerst haben ja die Parteimitg­lieder das Recht, etwas von mir zu hören.«

Dass die neue Vorsitzend­e nun schon am 2. Dezember und nicht wie geplant im nächsten Juni gewählt werden soll, sowie der Fakt, dass mit Grütters eine der fünf Frauen des 25-köpfigen Landesvors­tands den Chefposten übernehmen soll, ist auch der Sexis- mus-Debatte zu verdanken, die die Bezirksver­ordnete Jenna Behrends entfacht hatte. Auch dazu hatte sich Grütters positionie­rt: »Sexismus hat in einer modernen Großstadtp­artei keinen Platz.« Nichts weniger als das wird ihre Aufgabe sein: Die CDU Berlin, von alten, weißen Männern dominiert, in eine moderne Großstadtp­artei zu verwandeln, die anschlussf­ähig ist für neue Koalitione­n. Dass sie gleichzeit­ig durchsetzu­ngsfähig und integrativ wirken kann, hat Grütters nicht nur mit Gründung der Task Force beim Schwabinge­r Kunstfund gezeigt. Trotz massiver Kritik von Sammlern, Galeristen und Künstlern novelliert­e sie Ende Juli das Kulturguts­chutzgeset­z, um zu erreichen, was ihr als Konservati­ver wichtig ist: deutsches Kulturgut vor dem Verkauf zu retten.

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Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Monika Grütters, Kulturstaa­tsminister­in und bald CDU-Chefin in Berlin

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