Für eine Handvoll Euro
Velten Schäfer über Viktor Orbáns Besuch bei der bayerischen Verwandtschaft
Seinen Höhepunkt erreichte der Ungarnaufstand am 1. November 1956, als die reformkommunistische Nagy-Regierung die Neutralität ausrief. Einen Tag später wurde die Zeitung Népszabadság gegründet, anstelle des stalinistischen Organs Szabad Nép. Auch wenn Népszabadság nach dem Aufstand bis 1989 als Parteizeitung fungierte, bleibt es ein Treppenwitz, dass sich Viktor Orbán nun als des Aufstands Erbe geriert – und zugleich wohl an der jähen Schließung des Blattes mitwerkelte, das ein Kind der Revolte war.
Zur Ironie der Geschichte kommt nun als aktuelle Extrapointe hinzu, dass sich Orbán in dieser Pose am Montagabend ausgerechnet im Sitzungssaal des bayerischen Landtags feiern lässt. Und dass dabei, wiewohl Horst Seehofer als Redner auftritt, außer dem ungarischen Staatsfernsehen Presse unerwünscht ist: Orbáns Konsulat hat den Saal nämlich gemietet.
Es ist nicht fair, Seehofer allein für seine verwandtschaftlichen Kontakte zu Orbán anzuprangern. Immerhin ist dessen Fidesz-MPSZ Mitglied der honorigen Volkspartei-Fraktion im Europaparlament. Dennoch lässt die Episode tief blicken: Wenn Seehofer jüngst beschwört, »die Seele der CSU« nie zu »verkaufen«, heißt das im Licht dieses Abends, dass Pressefreiheit nicht zum Bestand dieser Seele gehört – oder, dass dieselbe eben doch eine Frage des Preises ist. Aktuell liegt derselbe laut Bayerischem Rundfunk bei 2400 Euro.