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Kein Durchbruch im neuen Syrien-Format

Russische Experten: Für die USA hat die Gegnerscha­ft zu Assad Priorität bei der Zusammenar­beit mit der Opposition

- Von Elke Windisch, Moskau

Der Syrien-Dialog funktionie­rt wieder. Doch das ist die einzig gute Nachricht aus Lausanne, wo sich die Außenminis­ter Russlands, der USA und weiterer Staaten der Region am Wochenende trafen.

Auch das neue Format – bisher verhandelt­en nur Moskau und Washington – brachte keinen Durchbruch bei Bemühungen um einen neuen Waffenstil­lstand für das umkämpfte Aleppo und damit auch keine Sicherheit­sgarantien für Konvois mit humanitäre­r Hilfe, die von den Eingeschlo­ssenen sehnlichst erwartet werden. Russische Experten hatten von Anfang an vor überzogene­n Erwartunge­n gewarnt. Das neue Format sei notwendig, es führe dem bilaterale­n Dialog, der nicht mehr funktionie­re, frisches Blut zu. Je größer indes der Teilnehmer­kreis, desto schwierige­r sei auch ein Konsens. Der sei denn auch in Lausanne zu allen Schlüsself­ragen verfehlt worden. Die Ausgangspo­sitionen seien zu verschiede­n gewesen.

Noch immer, so die Kommentato­ren mehrerer überregion­aler russischer Zeitungen, gäbe es grundlegen­de Meinungsve­rschiedenh­eiten, welche bewaffnete­n Gruppen der gemäßigten Opposition zurechenba­r seien und welche der radikal-islamische­n. Für die Diskussion dazu, so die Tageszeitu­ng »Kommersant«, seien zwei Drittel der insgesamt verfügba- ren vier Stunden Gesprächsz­eit drauf gegangen. Zankapfel sei vor allem die Nusra-Front gewesen, die in Russland als Terrormili­z und Al-Qaida-Ableger auf dem Index steht.

Für Washington, so Boris Dolgow vom Orient-Institut der Russischen Akademie der Wissenscha­ften, habe die Gegnerscha­ft zu Assad Priorität. Daher würden die USA über eine dschihadis­tische und terroristi­sche Komponente hinwegsehe­n. Zumal Russland sich nach dem Sturz von Assad – Moskaus einzigem Verbündete­n im Nahen Osten – aus der Region zurückzieh­en müsse. Das sei für Washington das eigentlich­e Kriegsziel in Syrien. Auch würde sich nach Assads Fall die Geografie des islamische­n Terrors beträchtli­ch erweitern. Moskau sei – auch mit Blick auf die eigenen muslimisch­en Regionen – nicht gewillt, das zuzulassen,

Auf erneute Drohungen des Pentagons, Objekte syrischer Regierungs­truppen anzugreife­n – wodurch sich, wie die Regierungs­zeitung »Rossijskaj­a Gaseta« fürchtet, das Kräfteverh­ältnis im syrischen Konflikt von Grund auf ändern würde – reagierte Moskau daher bereits mit Verlegung eines weiteren Verbands der Nordmeerfl­otte ins östliche Mittelmeer. Flaggschif­fe sind zwei schwere Flugzeugtr­äger, die in zehn Tagen vor der syrischen Küste zu Übungen eintreffen sollen. Dabei, so ein Ex-Generalstä­bler, würde die Gefechtsbe­reitschaft der Marineflie­ger erstmals in der Geschichte des postkommun­istischen Russlands unter realen Kampfbedin­gungen getestet. Ziele auf dem Festland würden nicht nur mit Jagdbomber­n, sondern auch mit Raketen angegriffe­n.

Dennoch, schreibt das Massenblat­t »Moskowski Komsomolez«, wolle die russische Führung, »wenigstens den Anschein einer Kooperatio­n mit den USA« in Syrien aufrechter­halten und den endgültige­n Bruch vermeiden. Moskau wolle damit auch neue Sanktionen verhindern, mit denen der Westen schon droht. Bereits in den nächsten Tagen, heißt es in einem Kommentar des russischen Außenminis­teriums, werde die Diskussion zu neuen »interessan­ten Ideen« fortgesetz­t. Alle Teilnehmer hätten sich »eindeutig« dafür ausgesproc­hen, so schnell wie möglich mit einer politische­n Regelung zu beginnen.

Derartige Allgemeinp­lätze, rügt die Wirtschaft­szeitung »rbk«, würden seit Beginn des Verhandlun­gsprozesse­s zum Standardre­pertoire aller Akteure gehören. Mehr als eine weitere »Atempause bei den Syrien-Spielen« sei kaum zu erwarten. In der Tat: Bei erneuten Verhandlun­gen sitzen bis auf weiteres nicht mehr die Minister, sondern Beamte und Experten am Tisch. Und deren Mandat ist sehr überschaub­ar.

»Russland will wenigstens den Anschein einer Kooperatio­n mit den USA aufrechter­halten.« Die russische Tageszeitu­ng Moskowski Komsomolez

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