nd.DerTag

Peggy und der Hassbrief

Abermals weisen Indizien auf eine Tat von Nazis hin

- Von René Heilig

Im Fall der vermutlich 2001 getöteten neunjährig­en Peggy aus Oberfranke­n gibt es ein bislang in der Öffentlich­keit unbekannte­s Indiz, dass in eine rechtsextr­emistische Richtung weist. Wenige Tage nachdem Peggy auf dem Heimweg von der Schule spurlos verschwand, bekam ihre Mutter einen vermutlich von Neonazis verfassten Hassbrief. Der habe bei der Frau einen Weinanfall ausgelöst, hielt die »Soko Peggy« fest, behauptet die »Bild«-Zeitung und verweist darauf, dass sich der Brief in den Ermittlung­sakten befindet.

Das kann Oberstaats­anwalt Herbert Potzel aus Bayreuth nicht bestätigen. So, wie er nichts ausschließ­en mag. Er speist Journalist­en mit dem Satz ab: »Wir ermitteln in alle Richtungen.« Dabei muss man doch nur in den Akten nachschaue­n, ob sich da ein solcher maschineng­eschrieben­er Wisch auf pergamenta­rtigem Papier findet. Nach Angaben der »Bild« heißt es darin, die Mutter habe so ein »arisches Kind wie Peggy« nicht verdient. Offenkundi­g bezieht sich der Verfasser darauf, dass die Mutter 1978 zum Islam konvertier­te. Sie trug ab und zu ein Kopftuch. Offenbar, um ihrem Mann und den Schwiegere­ltern zu gefallen.

Sollte sich dahinter ein Motiv für die Entführung und mutmaßlich­e Ermordung der kleinen Peggy verbergen, so setzt das eine intime Kenntnis der Verhältnis­se im fränkische­n Lichtenber­g voraus. Dort leben gerade einmal tausend Einwohner. Der Ort, der mit den üblichen Strukturpr­oblemen kämpft, ist zudem ein beliebtes Ausflugszi­el im Frankenwal­d.

Sollten Uwe Böhnhardt – dessen DNA am Fundort der Kinderleic­he gefunden worden war – oder auch andere Mitglieder des Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­es (NSU) mit dem »Fall Peggy« zu tun haben, müssten sie entweder selbst im Ort recherchie­rt haben oder sie wurden von Kameraden eingewiese­n. Wie also in allen anderen Mordfällen des NSU stellt sich die Frage nach der Opferauswa­hl.

Die Bayreuther Kripo hatte ihre Ermittlung­sgruppe im Juli 2016 nach dem Fund von Peggys Überresten in einem nahen Thüringer Waldstück bei Nordhalben wieder zu einer Sonderkomm­ission aufgestock­t. Mit der Leitung der 30köpfigen Soko ist der Chef der Kriminalpo­lizei Bayreuth, Kriminalob­errat Uwe Ebner, beauftragt. Zugleich verstärkte man wieder die Zusammenar­beit zu den Kollegen im benachbart­en Freistaat. Dort werden gleichfall­s Nachforsch­ungen intensivie­rt.

Die bayerische­n Ermittler müssen nun erst einmal erklären, ob und was sie nach Eingang des NaziHassbr­iefes ermittelt haben. Nur so können sie den Verdacht von sich weisen, ihre Arbeit – wie bei den Ermittlung­en gegen den NSU – höchst einseitig betrieben zu haben. Obwohl er inzwischen pensionier­t ist, wird der damalige Kriminaldi­rektor Wolfgang Geier einiges erklären müssen. 2002 wurde er zum Kopf der Soko im »Fall Peggy« benannt. Er hatte auch das Sagen bei den Nachforsch­ungen zu den sogenannte­n »Döner- oder Ceska-Morden«, die dem NSU zuzuordnen sind. Unter Geiers Leitung versteifte man sich in beiden Fällen darauf, dass die Täter aus dem Umfeld der Opfer, also aus der türkischen Community, stammen.

Obwohl die Vertreter der Nebenklage anderer Ansicht sind, wird der Prozess gegen die mutmaßlich­e NSU-Mittäterin Beate Zschäpe und Helfer der Terrortrup­pe in München wie geplant fortgesetz­t. Doch zumindest in den Untersuchu­ngsausschü­ssen von Landtagen und im Bundestag wird man sich jetzt wohl stärker der seit 2011 gestellten Frage zuwenden müssen, was den NSU mit der Organisier­ten Kriminalit­ät, also dem Menschen-, Waffen- und Drogenhand­el verband.

Newspapers in German

Newspapers from Germany