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Hintertür für Genpflanze­n per Gesetz

Umweltschü­tzer warnen vor Entwurf aus dem Agrarminis­terium

- Von Susanne Schwarz

Selbst auf dem Acker macht der Ton die Musik. Lange hat Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) mit Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) um ein einziges Wort gestritten. Mit Erfolg: In Schmidts kürzlich vorgelegte­n Entwurf zur Reform des Gentechnik­gesetzes ist nun zu lesen, Berlin solle, nicht nur könne, regeln, dass der Anbau gentechnis­ch veränderte­r Organismen in Deutschlan­d »beschränkt oder verboten« ist. »Soll« statt »kann« – das ist viel eher ein Bekenntnis dazu, dass man nach einem Verbot der Gentechnik strebt.

Sieben neue Maislinien, deren Gene so bearbeitet wurden, dass sie Insektenbe­fall oder chemische Unkrautver­nichter überleben, sind auf EU-Ebene zurzeit im Zulassungs­verfahren. Eine EU-Richtlinie vom vergangene­n Jahr soll den Mitgliedss­taaten die Möglichkei­t geben, solche Pflanzen unabhängig davon zu verbieten. Bisher ist das nur sehr umständlic­h möglich, indem ein Land durch neue Forschungs­ergebnisse begründet, warum es eine genetisch manipulier­te Pflanze nicht zulassen möchte. Genau das soll Schmidts Gesetzentw­urf regeln. Ziel dessen, so sein Ministeriu­m, sei ein flächendec­kendes Anbauverbo­t für gentechnis­ch veränderte Pflanzen für ganz Deutschlan­d. Das fordern auch Umweltschü­tzer. Dass das mit Schmidts Vorschlag passiert, glauben manche allerdings nicht.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) etwa fordert die Bundesregi­erung auf, den Entwurf bei der geplanten Kabinettss­itzung am 2. November zurückzuwe­isen. Aus SPDKreisen heiße es, sagt BUND-Gentechnik­expertin Heike Moldenhaue­r, die Umweltmini­sterin habe sich so auf die Debatte um »soll« oder »kann« konzentrie­rt, dass andere Kritikpunk­te zu kurz gekommen seien. Etwa liege die Hürde für deutschlan­dweite Beschlüsse in Schmidts Vorschlag zu hoch.

Die einfachste Möglichkei­t für ein nationales Anbauverbo­t ergibt sich während eines EU-Zulassungs­verfahrens für eine Genpflanze. Der Minister will, dass für ein Verbot nicht nur die Mehrheit der Bundesländ­er zustimmen muss, sondern – und hier wird es unüblich – innerhalb von 45 Tagen auch sechs Bundesmini­sterien ihr Ja geben müssen. »Es ist grotesk, dass ein einziges Ministeriu­m die Macht bekommt, Anbauverbo­te scheitern zu lassen«, so BUND-Chef Hubert Weiger.

Zwar lässt der Gesetzentw­urf, sollte ein flächendec­kendes Verbot scheitern, noch zu, dass die Bundesländ­er jeweils für jede einzelne Genpflanze ein Verbot auf ihrem Territoriu­m verhängen. Moldenhaue­r allerdings sieht darin eine inakzeptab­le Verlagerun­g einer Bundesvera­ntwortung. Die Länder hätten gar nicht genug Strukturen und Geld, so die Umweltschü­tzerin. »Da jedes Bundesland Gentech-Anbauverbo­te ausführlic­h begründen muss, sind Klagen der Gentechnik-Konzerne dagegen sehr wahrschein­lich«, sagt Moldenhaue­r. Wenn nicht alle Bundesländ­er es verbieten, entstehe zudem ein »Gentechnik-Flickentep­pich«, warnt sie. Die Länder, die grüne Gentechnik ausschließ­en wollen, müssten sich dann darum kümmern, wie sie ihre Felder sauber halten. »Pollen machen nicht an Ländergren­zen halt«, so Moldenhaue­r.

Kirsten Tackmann, agrarpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion, ist mit Schmidts Vorstoß ebenfalls unzufriede­n: Der Minister ignoriere die breite gesellscha­ftliche Ablehnung gentechnis­ch veränderte­r Pflanzen. Sein Gesetzentw­urf offenbare ein »Wegducken der Bundesregi­erung vor der Lobby von Saatgutkon­zernen«.

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