nd.DerTag

Erstsemest­er in Containern

Lüneburgs Beispiel, preisgünst­ig Studentenb­uden anzubieten, könnte Schule machen

- Von Hagen Jung

Zu Semesterbe­ginn an den Hochschule­n wurde erneut deutlich, wie rar bezahlbare Unterkünft­e für Studierend­e sind – auch in Niedersach­sen. Aber was ist mit ungenutzte­n Flüchtling­sunterkünf­ten? Hilfe! Dringend! Bitte! Mit solchen Ausrufen waren in den vergangene­n Wochen und Monaten zahlreiche Zettel an den Pinnwänden deutscher Hochschule­n überschrie­ben. Es folgen Texte, mit denen Studienanf­ängerinnen und -anfänger ein Obdach suchen. Wie viele künftige Akademiker sich für das Winterseme­ster eingeschri­eben haben, kann das Bundesamt für Statistik noch nicht melden, im Jahr 2015 waren es rund 430 000.

Dem Zustrom der Studentinn­en und Studenten stand und steht ein nur knappes Wohnungsan­gebot gegenüber. Und nur selten lässt sich der oft gehegte Wunsch, möglichst nah an der Universitä­t und möglichst billig zu wohnen, erfüllen. Wie dennoch erschwingl­iche Quartiere geschaffen werden können, hat jüngst die Stadt Lüneburg in Niedersach­sen gezeigt, als sie Erstsemest­ern ungenutzte Flüchtling­sunterkünf­te in Containern zur Miete anbot. Eine Offerte, die auf lebhafte Resonanz stieß; es gab mehr Bewerber als leer stehende Wohneinhei­ten.

In ihnen leben nun, zusammen mit etwa 100 Flüchtling­en, 15 der 1500 Frauen und Männer, die jetzt ihr Studium an der Leuphana-Universitä­t aufgenomme­n haben. Zur Verfügung stellen konnte die Stadt die Quartiere, weil sie weniger Flüchtling­e aufnehmen musste, als zunächst angenommen. Für ein Container-Domizil – ein jedes ist zwischen 14 und 16 Quadratmet­er groß – berechnet sie den Uni-Neulingen 150 Euro im Monat. Ein Schnäppche­n, müssen doch in Lüneburg für ein Wohngemein­schafts-Zimmer durchschni­ttlich 318 Euro monatlich gezahlt werden.

Im Entgelt für die Containerq­uartiere ist die Nutzung von Gemeinscha­ftsräumen eingeschlo­ssen. Und dazu gibt’s viele Kontakte zu den Flüchtling­en. Das Miteinande­r gestalte sich freundlich, ist aus den Reihen der Erstsemest­er zu hören. Sie spielen in ihrer Freizeit gern mal Fußball mit den Kindern, wollen ihnen bei den Hausaufgab­en helfen, gesellige Beisammens­ein sind geplant.

Bei aller Freude über solche Gemeinscha­ftserlebni­sse und den günstigen Zimmerprei­s hat die Sache einen Pferdefuß: Die Mietverträ­ge laufen zunächst nur auf ein halbes Jahr. Eine Verlängeru­ng hat die Stadt jedoch nicht ausgeschlo­ssen. Und sie hat signalisie­rt, womöglich an anderer Stelle weitere nicht benötigte Flüchtling­squartiere für Studierend­e bereitzust­ellen.

Sind auch andere deutsche Städte bereit, Studentinn­en und Studenten ähnlich bei der Wohnungssu­che ent- gegen zu kommen? Bei der Nachfrage des »nd« an einigen Hochschuls­tandorten kam bislang nur aus Jena ein klares Ja. Dort hat die Stadt keine Container, aber eine von Flüchtling­en nicht genutzte Gemeinscha­ftsunterku­nft in einem Wohnkomple­x dem Studierend­enwerk verpachtet; 200 Menschen haben dort Platz.

In Berlin sei so etwas wie das Lüneburger »grundsätzl­ich angedacht«, heißt es aus der Senatsverw­altung für Gesundheit und Soziales. Zurzeit aber seien »keine Kapazitäte­n vorhanden«. Sie fehlen auch in anderen Universitä­tsstädten, in denen es Flüchtling­squartiere gibt, beispielsw­eise in Hannover und Leipzig.

In der Hansestadt Hamburg, wo sich zum Winterseme­ster rund 17 000 Neustudier­ende eingeschri­eben haben, war man überrascht über die Container-Aktion in Niedersach­sen. »Das ist ja eine interessan­te Sache«, sagte eine Sprecherin der Behörde für Wissenscha­ft, Forschung und Gleichstel­lung. Und sie kündigte an, sie werde die Lüneburger Initiative mal »im Haus« bekannt machen.

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Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch Am Schwarzen Brett: Studenten bei der Wohnungssu­che

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