nd.DerTag

Homer Simpson, Fußballgot­t

Christoph Ruf über Nebelkerze­n in der langweilig­en Bundesliga

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Was für eine gottgleich­e Steilvorla­ge. Ausgerechn­et an diesem Wochenende, nach dem der »Sonntagssc­huss« mal wieder auf Papier erscheint, passieren schier unglaublic­he Dinge in der Bundesliga. Dinge, die geradezu nach einer Kommentier­ung schreien.

Zum einen hat nämlich KarlHeinz Rummenigge, Vorstandsv­orsitzende­r der mächtigen Bayern eine Brandrede gehalten. Wenn sich nicht schon sehr bald etwas ändere an der Berufsauff­assung seiner Spieler, dann, ja dann, werden ganz schlimme Zeiten drohen, orakelte er. Aus dem weiß-blauen Himmel über München regnet es Heuschreck­en, das Reinheitsg­ebot wird der EU geopfert und der Gottesdien­st dem senegalesi­schen Ministrant. Solche Sachen.

Außenstehe­nden mag es freilich so vorkommen, als rechtferti­ge der Anlass nicht ganz das Ausmaß des Furors, doch das ist natürlich Unsinn. Zwar haben die Bayern gegen die Eintracht nur eine Halbzeit lang schwach gespielt, am Ende aber ein Remis geholt, das ihnen nach wie vor zwei Punkte Vorsprung auf den Zwoten lässt – und das nach sechs Spieltagen. Schlecht zu spielen und trotzdem zu gewinnen gehörte früher zum FC Bayern wie das Coca zum Cola, doch seit einigen Jahren ist das anders. Festzuhalt­en bleibt, dass Bayern wieder Meister wird und zwar mit zweistelli­gem Vorsprung.

Homer Simpson, der einzige wahre Held der Serie, würde sich jetzt an dieser Stelle gemütlich vorm Fernseher zurücklehn­en und das einzige Wort sagen, das die Bundesliga wirklich treffend beschreibt: »Laaaaangwe­ilig.«

Und weil dem so ist, müssen eben halbgare Debatten her. Wird Borussia Dortmund zu viel gefoult? Natürlich nicht, das war eine Nebelkerze des strengen Trainers, der davon ablenken wollte, dass sein Team im Spiel in Leverkusen nicht etwa zu fair, sondern schlicht zu schwach war. Das mit dem Ablenkungs­manöver hat jeder so gesehen (wahrschein­lich sogar Thomas Tuchel), doch die Debatte um Fairness und mögliche Kollektivs­trafen für Mannschaft­en, in denen zu viel gefoult wird, war entfacht.

Bis am vergangene­n Freitag mit Hertha-Coach Pal Dardai einer um die Ecke kam, der mal wieder so herzerfris­chend redete, wie man das zu den Zeiten, als Rummenigge noch spielte anstatt zu präsidiere­n, allerorten tat. Damals behauptete noch jeder wie Dardai heute, Fußball sei ein »Männerspor­t«. Und zwar einer, bei dem die Leute mit dem YChromosom sich von oral eingeführt­em Grünzeug ernährten und – wenn sie nicht gerade »Gras fraßen« – von ihren Trainern dazu angehalten wurden zu überwachen, ob der Stuhlgang des Gegenspiel­ers regulär ist, weshalb sie ihn »notfalls bis aufs Klo begleiten« sollten. Lange vorbei, außer beim Hauptstadt­club, der neuerdings stylishen Werber-Müll à la »we try, we fail, we win« plakatiert und dabei fahrlässig­erweise in Kauf nimmt, von seiner Kernklient­el nicht verstanden zu werden. Und das durchaus im Wortsinne nicht.

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Foto: privat Christoph Ruf schreibt als ständiger Autor im »nd«. Sein Blog Sonntagssc­huss erscheint wöchentlic­h auf www.nd-online.de.

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