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Zeitreise in die Welt der Kelten

Helmut Vorndran: Der erste historisch­e Roman des Krimiautor­s nimmt uns mit in seine Heimat Franken

- Tomas Morgenster­n

Man sollte nichts einfach so wegwerfen – anderersei­ts: Wer es immer allzu genau nimmt, verpasst vielleicht das Beste im Leben. Alexander Konrad aus Bamberg jedenfalls hat es getan und damit gleichsam jenen roten Faden gelegt, der es dem Leser erleichter­t, dem Autor Helmut Vorndran auf eine ziemlich abenteuerl­iche Reise zu folgen.

Das Ziel ist schnell ausgemacht. Vorndran ist mit Leib und Seele Franke, und so findet man sich alsbald wieder im Gebiet zwischen Chiemsee im Alpenvorla­nd und Rhön, dem südlichen Zipfel von Thüringen. Schwierige­r wird es mit der Reisezeit, denn der Autor begibt sich auf eine Zeitreise – und das gleich auf mehreren Ebenen. Auf dreien begegnet man jenem Alexander – eingangs als gereiftem Mann, einem Archäologe­n, später als 16-jährigem Schulabbre­cher, einem antriebssc­hwachen Vertreter der »Generation Smartphone«, dann als Wanderer wider Willen zwischen den Welten.

Um das Jahr 400 vor unserer Zeitrechnu­ng soll ein Meteori- teneinschl­ag das Leben der Menschen am Gleivoisca, am Glänzenden See, wie die Kelten den Chiemsee nannten, aus den Bahnen geworfen haben. Mit dieser These beginnt der Roman. Die eigentlich­e Handlung setzt viel später an, sie beginnt in der nahen Zukunft, führt ins Jahr 45 vor der Zeit, um sich schließlic­h im Heute zu vollenden. Das gäbe wohl auch den geeigneten Rahmen für eine Fantasy-Story ab oder für einen Krimi, jenes Genre, mit dem Helmut Vorndran bekannt geworden ist. Doch dem 55-Jährigen stand diesmal der Sinn nach einem historisch­en Roman. Ins Zentrum seiner Erzählung rückt er die Zeit des Niedergang­s der Kelten, die im Gebiet nördlich der Alpen lebten –, dort, wo er selbst zu Hause ist.

Römer, vor allem aber die germanisch­en Stämme der Hermundure­n und Markomanne­n, drängen mit Gewalt in deren Siedlungsg­ebiete. Eine nach der anderen fallen ihre Oppida, die befestigte­n Städte, in die Hand der erbarmungs­losen Krieger aus dem Norden.

Im Todesjahr von Gaius Julius Cäsar (44 v. Chr.) rüsten die Kelten um die Stadt Menosgada, erbaut auf dem Staffelber­g oberhalb des Mains, zum entscheide­nden Kampf.

Vor diesem Hintergrun­d lässt der Roman dem Leser eine Gesellscha­ft wiederaufe­rstehen, die es in der Eisenzeit zu wirtschaft­licher und kulturelle­r Blüte gebracht hat und deren Einflüsse in die gesamte antike Welt ausgestrah­lt haben. Ein Volk, das dann aus der Geschichte verschwand und nur sehr wenige eindeutige Spuren hinterließ.

Isarnon, das Eisen, bestimmt auch das Leben des jungen keltischen Kriegers und Schmieds Mavo, den sein Schicksal aus der Heimat am Gleivoisca auf eine atemberaub­ende Weise durch eine Welt im Umbruch zwingt. Vorndran hat sie bis ins Detail studiert, vor allem auch das, was man heute über das Leben der Kelten weiß. Mavo lebt das Leben der einfachen Menschen, trifft auf Krieger, Druiden und Fürsten, auf Freunde und Feinde. Als Hermundure­n seine Gefährtin Noreya rauben, weist ihm der brennende Wunsch nach Vergeltung seinen Weg durch die Fremde.

Es ist eine Welt voller befremdlic­her, oft blutiger Rituale und voller Grausamkei­t, aber auch voller Lebenslust und Leidenscha­ft. Der Autor schildert sie in kraftvolle­r Sprache, spannend und auch mal augenzwink­ernd und zieht damit seine Leser in den Bann.

So will man sich der Geschichte auch dann nicht entziehen, als aus dem Nichts ein Fremder an Samhain, der Nacht zu Beginn des keltischen Winters, auftaucht und Mavos Lebensbahn eine neue Richtung gibt. Er nennt sich Alexander, kommt aus einer anderen Zeit.

Vorndran selbst nennt den Roman ein Experiment. Denn über die Kelten habe sich nur sehr wenig Wissen erhalten. Es gebe von ihnen keine schriftlic­hen Zeugnisse, und ihre meist aus Holz und Lehm errichtete­n Bauten seien verschwund­en. »Trotzdem fasziniere­n sie uns, weil sie das erste wirkliche Volk Mitteleuro­pas waren, das Volk, von dem wir abstammen.«

Es sind Stätten wie die Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberg bei Römhild in Thüringen, denen Helmut Vorndran Leben einhaucht. Befand sich hier aber wirklich das keltische Bikourgion? Wer zu den Wällen hinaufstei­gt, entdeckt einen mystischen Ort.

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