Brauner Saft in blauen Adern
Karina Urbach berichtet über Hitlers heimliche, aristokratische Helfer
Der kommunistische Schriftsteller aristokratischer Herkunft Ludwig Renn analysierte in seinem 1944 im Exil in Mexiko erschienenen Roman »Adel im Untergang«, dass diese Klasse nur im Bündnis mit der Bourgeoisie existieren kann, um ihr fossiles parasitäres Leben führen zu können. Der blaublütige Spross hatte mit solcher Lebensweise gebrochen. Und war von Anfang an ein entschiedener Hitler-Gegner.
Karina Urbach zeigt in ihrem gründlich recherchierten Buch die Kehrseite – wie Adelige zu Hitlers heimlichen Helfern wurden. Sie beschränkt sich dabei nicht auf Deutschland, sondern zeigt die internationale Dimension des gut vernetzten Adels, besonders des Hochadels. Die Knoten bildeten dynastische Eheschließungen und Freundschaften. Man denke nur an die Kinder und Enkel der Queen Victoria, die in die verschiedensten Herrscherhäuser oder einflussreiche Familien einheirateten.
Der Erste Weltkrieg markierte eine Zäsur. Obwohl der Adel nun gezwungen wurde, sich zur nationalen Zugehörigkeit zu bekennen, blieben die Netzwerke intakt. Ein weltgeschichtliches Ereignis indes ließ selbst verfeindete Parteien wieder enger zusammenrücken: die russische Oktoberrevolution 1917. Die Hinrichtung der Zarenfamilie, die revolutionären Ereignisse in Ungarn und Deutschland wirkten traumatisch auf die Blaublü- ter. Nichts fürchteten sie so sehr wie das Gespenst des Kommunismus. Schnell entwickelten sie Sympathien für die faschistischen Bewegungen in Italien und Deutschland.
Zu Beginn seiner Diktatur 1933 verfügte Hitler nur über geringe Auslandskontakte. Zudem hegte er tiefes Misstrauen in die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Willige Helfer aus den Adelshäusern sollten nun Kontakte nach Großbritannien, Italien, Ungarn und Schweden knüpfen. Urbach nennt sie »GoBetweens«, Vermittler. Als einer der ergebensten diente sich bei Hitler Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha an, ein Enkel von Queen Victoria, in Großbritannien geboren und aufgewachsen. Aus seiner völkischen Gesinnung machte er keinen Hehl. Er war ein früher Wegbereiter Hitlers und blieb ihm bis zum Ende des Krieges treu. Der Diktator betraute ihn mit einer besonderen Mission: Aufbau inoffizieller Kanäle zu den höchsten Kreisen Großbritanniens. Ins Visier geriet dabei besonders der als deutsch- und nazifreundlich geltende Prince of Wales, der als Edward VIII. 1936 den Thron bestieg. Dessen Abdankung wenige Monate später wegen seiner Affäre mit der geschiedenen Wallis Simpson war für die Nazis ein Rückschlag. Doch die Begeisterung der britischen Oberschicht für autoritäre Regime bot nach Meinung der Autorin lange Zeit sehr viel mehr Raum für Annäherungsversuche an Hitlerdeutschland als bisher angenommen.
Coburgs Hoffnungen auf ein deutsch-britisches Bündnis endeten am 23. August 1939 mit der Unterzeichnung des HitlerStalin-Paktes und dem folgenden Überfall auf Polen. Großbritannien hatte diesmal nicht wie im Falle des Münchner Abkommens vom 30. September 1938 nachgegeben, sondern Deutschland den Krieg erklärt. Coburg rückte von der Naziideologie auch in US-amerikanischer Gefangenschaft nicht ab. Davon konnte sich der deutsche Emigrant und Schriftsteller Stefan Heym überzeugen, der ihn damals verhörte. Letztendlich wurde der Adlige jedoch nur als Mitläufer eingestuft.
Ein besonders schillernder »Go-Between« war Prinzessin Stephanie von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, die ihren Adelstitel einer Heirat verdankte. Mit ihrer Scheidung suchte die Ungarin eine neue Geldquelle und fand sie durch ihr Andienen bei gleich mehreren Herren, außer bei Hitler und Göring auch bei dem ungarischen Staatschef Admiral Horthy sowie dem englischen Pressezar Lord Rothermere, der sich ebenfalls um eine deutsch-englische Allianz bemühte. Hitlers Spionin fand übrigens später in der Bundesrepublik Zuflucht.