»Mit Schmissen im Jesicht«
Mandfred Blänkner und Axel Bernd Schulz über korporierte Sozialdemokraten
Die Herausgeber dieser spezifischen Sammlung von Kurzbiografien mehr oder minder prominenter Sozialdemokraten, selbst Mitglieder verschiedener Burschenschaften, haben als Autoren ebenfalls ausschließlich – mit Ausnahme von Peter Brandt – Angehörige bis heute bestehender Burschenschaften gewonnen. Ihre Absicht bestand offenbar darin, einem weit verbreiteten Vorurteil zu begegnen, dass sich Burschenschaftler und Sozialdemokratie grundsätzlich ausschließen.
Da lag es nahe, mit Ferdinand Lassalle zu starten, stellt dieser doch eine Art Prototyp für einen solchen Werdegang dar, der sich für die Neuzeit zwar auch nicht einfach, aber öfter als wahrgenommen durchsetzte. So antwortete der spätere Ministerpräsident von Niedersachsen, Georg Dietereichs, seit 1929 SPD-Mitglied und nach der Befreiung vom Faschismus auf Landesebene und im Parlamentarischen Rat aktiv, noch im Jahre 1953 auf die Frage nach seinen politischen Ambitionen burschikos: »Was kann ich in meiner SPD schon groß werden, ich – ein Sozi mit drei Schmissen im Jesicht.« Das änderte sich – nicht nur für ihn. Von den 23 vorgestellten Persönlichkeiten (allerdings fast alle ohne Schmisse) brachten es nach 1945 noch fünf weitere zu Ministerämtern, zwei davon wurden gar Ministerpräsidenten. Für die Zeit der Weimarer Republik fand sich nur ein Sozialdemokrat mit vergleichbarer Karriere: Eduard David.
Klammert man mal solche Ausnahmemenschen wie Las- salle, Wilhelm Liebknecht, Georg Herwegh, Adolf Reichwein oder den christlichen Sozialisten und Theologen Karl Barth aus, so sticht bei den Würdigungen der Lebensleistung der meisten Per- sonen hervor, dass Burschenschaftler auch bei der Wandlung der SPD zu einer mitregierenden Partei und ihrer Prägung zu einer systemtragenden sozial-liberalen Organisation beteiligt waren. Das betrifft Vertreter der Wissenschaft (Ludwig Bergsträsser), der Wirtschaft (Detlev Karsten Rohwedder) wie der Kirche (Paul Tillich). Wie dies zu werten sei und welche Rolle die Mitgliedschaften in studentischen Korporationen heute noch spielen, darüber geben die Autoren im abschließenden, aktuellen Teil des Buches Auskunft.
Initiator der mit einem Vorwort von Erhard Eppler versehenen Publikation war der Lassalle-Kreis, der sich explizit um die Überwindung alter Vorurteile und pauschaler Bewertung studentischer Verbindungen als rechts-konservativ und nationa- listisch sowie um eine Verbesserung des Verhältnisses Burschenschaften zur SPD bemüht. Die teils sehr persönlichen Stellungnahmen und Erlebnisberichte geben eine interessanten Einblick in Ambivalenzen zwischen Korporationen und Sozialdemokratie.