Kampf um England
1066 – Ein Schlüsseljahr in der europäischen Geschichte
Die Schlacht bei Hastings vom 14. Oktober 1066 ist eines der wichtigen Ereignisse der Geschichte, das in den Schulen als Schlüsseldatum behandelt wird. In diese Tagen jährt sich die Eroberung Englands durch die Normannen unter William the Conquerer zum 950. Mal. Aus diesem Anlass erschienen beim Verlag C.H. Beck gleich zwei Bücher.
Jörg Peltzer lehrt vergleichende Landesgeschichte in europäischer Perspektive in Heidelberg. Sein ausführliches Werk behandelt die Vorgeschichte und die Folgen dieses dramatischen Macht- und Kulturwechsels und schildert im Detail den Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen. Dominik Waßenhoven lehrt am Historischen Institut der Universität Köln Mittelalterliche Geschichte. Er fasst die Ereignisse um den Übergang vom angelsächsischen zum anglo-normannischen Königtum übersichtlich und spannend zusammen.
Beide Autoren verweisen auf die von Parteinahmen gekennzeichnete, auch in der englischen Historiographie nie aufgelöste Quellenlage, die hinsichtlich vieler Einzelheiten vor allem in der Vorgeschichte keine völlig gesicherten Erkenntnisse zulässt. Immerhin stellt der monumentale, zeitgenössisch her- gestellte Teppich von Bayeux auf über 70 Metern Länge die Ereignisse der Eroberung Englands durch die Normannen in Bild und Text dar – eine einzigartige historische Quelle.
England lag im 11. Jahrhundert eher im Schatten der kontinentaleuropäischen Brennpunkte, war jedoch im Nordseedreieck zwischen Skandinavien und der südlichen Kanalküste, also Flandern und der Normandie, eine Insel, die Begehrlich- keiten weckte und deren Verhältnisse aufmerksam beobachtet wurden. In der Vorgeschichte spielten dynastische Auseinandersetzungen und innerenglische Rivalitäten zwischen den großen Adelshäusern eine ebenso entscheidende Rolle wie die Machtgelüste von dänisch-norwegischer Seite. Die normannischen Aspirationen traten erst durch den von beiden Autoren beschriebenen Macht- und Ansehenszuwachs Williams in den Vordergrund. Dessen Aufstieg von einem »Bastard« unehelicher Geburt zu dem entschei- denden Mann in der Auseinandersetzung um den durch den Tod König Edwards vakant gewordenen Thron Englands steht im Mittelpunkt der Darstellungen. Schließlich kam es zu einem fast gleichzeitigen Einfall dänisch-norwegischer Invasoren und den Normannen unter ihrem Herzog William. Konnten die Skandinavier noch in der Schlacht von Stamford Bridge abgewehrt werden, verloren die Engländer drei Wochen später am 14. Oktober 1066 gegen die Normannen unter William in der Schlacht bei Hastings.
In beiden hier besprochenen Werken werden die langfristigen Folgen dieses Epochenereignisses betont: England verschwand weitgehend aus dem skandinavischen Blickfeld und wandte sich über die Verbindung zur Normandie stärker dem westlichen Europa zu. Da der normannische Herzog Teil des französischen Lehnssystems war und seine Herrschaft dem französischen König schuldete, er aber nunmehr gleichzeitig König von England und damit ein eigener Souverän war, blieben die Konflikte nicht aus. Hier sind nach Auffassung beider Autoren die frühen Wurzeln des späteren hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich zu sehen.
Innerhalb Englands führte die Eroberung durch die Normannen zu einem fast vollständigen Austausch der Eliten. Vor allem aber, und das wirkt bis heute fort, erlebte das Altenglische eine sprachliche Romanisierung durch die Französisch sprechende nunmehr normannische Oberschicht. Die doppelten, angelsächsischen und die lateinisch-romanischen Quellen des modernen Englisch sind ohne die Ereignisse von 1066 nicht vorstellbar.
Jörg Peltzer: 1066. Der Kampf um Englands Krone. C.H. Beck. 432 S., geb., 24,95 €. Dominik Waßenhoven: 1066. Englands Eroberung durch die Normannen. C.H. Beck. 128 S., br., 8,95 €.