Wildes Tigerkind
Michael Engler und ein Wesen im Streifenkostüm
Dieses lustige Kätzchen auf dem Titelblatt des Bilderbuches soll ein wilder Tiger sein? Das muss ja über sich selbst lachen, wenn es sein Morgengebrüll startet.
Genau besehen ist das ausgeschlafene Wesen kein gefährliches Tier, sondern ein kostü- miertes Menschlein, das sich in der langweiligen Winterzeit einen tollen Plan für einen abenteuerlichen Tag ausgedacht hat. Ein Tag als Tigerkind hat viele Vorteile. Man muss sich nicht waschen, oder hat schon einmal jemand den König der Wälder im Badezimmer beobachtet? Beim Zähnerputzen? Niemals. So etwas machen doch nur Kinder.
Außerdem ist ein Tiger blitzschnell, wenn er seiner Mama entwischen will, die noch nicht begriffen hat, dass Tiger keine Seife brauchen. Er darf gefräßig sein an seinem Müslifutterplatz und herumtoben und um Hilfe schreien. Er darf den Tigerkuchen vernaschen und den Papa dermaßen erschrecken, dass der puterrot anläuft und die Kaffeetasse durch das Zimmer schleudert. Er kann immer und überall ausreißen, muss nicht im Bett schlafen, sondern darf sich selbst eine Höhle mitten in der Wohnung bauen und dazu die weißen Gardinen benutzen ...
Wenn so ein Tigerkind am Abend ins Bett geschickt wird, muss es nicht schlafen. Schließlich ist es kein müdes Menschlein. Ein Tigerkind ist immer hellwach und schleicht sich noch zu später Stunde in das gemütliche kuschlige Lager seiner Tigereltern. Die streicheln sein struppiges Fell und legen ihre Pfoten sanft auf seine Schultern. Vielleicht ist das wilde Tigerbaby ja morgen wieder ein sanftes Menschenkind.