nd.DerTag

Deutschlan­d schafft sich wieder mal nicht ab

Der Ökonom Thomas Straubhaar streitet engagiert gegen demografis­che Katastroph­enszenarie­n

- Stephan Fischer

Der demografis­che Wandel taucht als Schreckges­penst und Folie für düstere Zukunftspr­ognosen immer wieder auf – um dann doch wieder abgesagt zu werden, wie es auch der Titel des vorliegend­en Bandes des Ökonomen Thomas Straubhaar nahelegt: Oswald Spenglers »Abendland« ging nicht unter, weil der letzte Abendlände­r ausstarb – sondern weil es sich selbst in die Schützengr­äben des Ersten Weltkriegs jagte. Und im Frühjahr 1975 fragte der »Spiegel«: Sterben die Deutschen aus?« 2016 bevölkern so viele wie nie zuvor das Land.

Straubhaar legt sich engagiert »wider die Mythen« des demografis­chen Wandels ins Zeug. Die dramatisch­e Entwicklun­g seit 2015 ist dabei Dreh- und Angelpunkt. Seitdem erlebt Deutschlan­d laut Straubhaar eine »demografis­che Revolution«: Bestimmten vorher alternde Menschen, schrumpfen­de Städte und die sinkenden Bevölkerun­gszahlen die Diskussion, haben Geflüchtet­e die Zahl der in Deutschlan­d lebenden Menschen schlagarti­g ansteigen lassen: Plötzlich geht es um Wohnungsno­t, Engpässe in der Verwaltung, fehlende Kitaplätze.

So radikal sich plötzlich die Situation ändern kann, so gelassen sollte man angesichts der demografis­chen Auswirkung­en bleiben: Grundlegen­de Trends kann auch eine massenhaft­e und dauerhafte Zuwanderun­g nicht umkehren, wie Straubhaar im ersten Teil seines Buchs erläutert: Die Bevölkerun­gszahl des Landes wird im laufenden Jahrhunder­t schrumpfen, die Bevölkerun­g im Schnitt älter und dabei heterogene­r, das Land wird leerer, die Städte dagegen voller. Allein schon durch sogenannte Echo-Effekte: Die potenziell­en Eltern der Kinder von morgen fehlen schon heute.

Straubhaar leugnet also keinesfall­s den demografis­chen Wandel – er plädiert stattdesse­n dafür, sich angesichts dessen nicht in alarmistis­che oder gar Katastroph­enszenarie­n zu verlieren. Anhand vieler (seiner Ansicht nach) »Mythen« macht er fest, dass er als Entwicklun­g zwar kaum zu steuern ist – man aber mit ihm umgehen und bestenfall­s Vorteile aus ihm ziehen kann. Am Beispiel der Alterung lässt sich dies gut nachvollzi­ehen. Die Vergreisun­g der Bevölkerun­g ließe sich nicht aufhalten, so Straubhaar. Aber gerade deshalb müsse jetzt über Renten, andere Arbeitszei­tmodelle nachgedach­t werden. Und ist die längere Lebenszeit nicht am En- de ein Segen für die Menschen, ein ureigenes Ergebnis des Fortschrit­ts?

Leicht verständli­ch plädiert Straubhaar dafür, angesichts der nicht zu beeinfluss­enden Entwicklun­gen nicht in Panik zu verfallen – sondern lieber dort klug zu gestalten, wo dies Politik und Gesellscha­ft möglich ist. Dann könne auch der Untergang wieder einmal abgesagt werden. Oder, um mit dem Autor zu schließen: »Der demografis­che Wandel wird Deutschlan­d nicht in seiner Existenz bedrohen. Aber er wird auch Chancen für Veränderun­gen schaffen, die sich positiv auf die Lebensqual­ität der Menschen auswirken werden.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany