Vernetzung am rechten Rand
Mehrere tausend Nazis reisen für ein ein Konzert in der Schweiz
Naziaufmärsche und -Konzerte dienen vor allem auch der Festigung neonazistischer Strukturen – über Grenzen hinweg. Für das Schweizer Dörfchen Unterwasser war es eine große Überraschung, was da vergangenen Samstag in der Tennis- und Eventhalle stattfand: Bei den örtlichen Behörden war das Nazi-Konzert mit dem Titel »Rocktoberfest« als Konzert mit Schweizer Nachwuchsbands angemeldet worden. 600 bis 800 Besucher sollten kommen. Doch stattdessen kamen etwa 5000 Neonazis, die meisten aus Deutschland, aber auch Rechte aus an- deren Ländern waren vor Ort. Die Kantonspolizei St. Gallen war im Vorfeld vom Schweizer Nachrichtendienst über das Konzert informiert worden, dem die Möglichkeit eines Rechtsrock-Konzerts wiederum von deutschen Sicherheitsbehörden mitgeteilt wurde. Den genauen Ort fanden die Polizisten allerdings erst durch die Anreise der Teilnehmer heraus. Vor Ort, so teilt die Polizei mit, habe es keinen Grund zum Eingreifen gegeben. Die Veranstaltung sei »mustergültig organisiert« worden. Die Antifa Bern war alarmiert, nachdem im Netz Flyer aufgetaucht waren, auf denen von einem Konzert in Süddeutschland die Rede war, und bereiteten sich auf einen Grenzübertritt vor. Am Samstagabend waren die Antifaschisten die ersten, die über das Konzert berichteten.
Die Einnahmen aus dem Konzert dürften, wie das antifaschistische Blog »Thüringen Rechtsaußen« berichtet, Nazis aus Thüringen zufallen. Als Kontoverbindung für die Eintrittskarten wird ein aus Saalfeld stammender Neonazi genannt. Bei dem Konzert dürften demnach um die 150 000 Euro umgesetzt worden sein. »Thüringen Rechtsaußen« geht von einer engen Verbindung zwischen Schweizer und Thüringer Neonazis aus. Vielfältige Kontakte sind belegt, die Konzertveranstalter stammen aus dem Blood-andHonour- und Hammerskin-Netzwerk. Die Berner Antifa wirft den Schweizer Behörden ein komplettes Versagen vor. Ein Konzert in dieser Größenordnung habe es in der Schweiz noch nicht gegeben, und es sei klar, dass es auch zur internationalen Vernetzung zwischen Hammerskin- und Blood-and-HonourAktivisten gedient habe.
Doch nicht alle Neonazis waren zufrieden. Einige beklagten, den Schleusungspunkt in Ulm erst zu spät erreicht zu haben. Auch Andreas Lohei ärgert sich über das Konzert in der Schweiz. Der Rechtsrocker, der in verschiedenen Bands singt und bei Oidoxie bisweilen an der Gitarre aushilft, beschwerte sich, dass Tausende zu einem Konzert ins Ausland reisen wür- den und nicht den »Kampf« auf der »deutschen Straße« suchten. Loheis Enttäuschung dürfte auch mit der Nazi-Demo am 8. Oktober in Dortmund zu tun haben. Dorthin waren nur 500 Menschen gekommen, darunter Lohei. Brisant an der Dortmunder Demo ist allerdings die Zusammensetzung der Teilnehmer. Das Kollektiv Recherche Nord stellte fest, dass Neonazis aus der Blood-and-Honour-Struktur aus Dänemark und den Niederlanden anwesend waren. Mit William »The Beast« Browning war außerdem der Gründer der neonazistischen Terrorbewegung Combat 18 in Dortmund. Browning besuchte dabei mit dem Oidoxie-Sänger Marko Gottschalk einen alten Bekannten. Es gilt als gesichert, dass Gottschalk und sein Umfeld vor rund zehn Jahren eine Combat-18-Zelle in Dortmund aufgebaut haben. Nachdem der OidoxieSänger die letzten Jahre in Schweden verbrachte, ist er nun zurück in Dortmund. Dass Gottschalk, Browning und andere Blood-and-Honour-Aktivisten sich in Dortmund gemeinsam öffentlich zeigten, ist für Recherche Nord kein Zufall. Die Anwesenheit Brownings sei ein Statement mit der Aussage: »Combat 18 ist hier«. Für Browning und Co. gehe es auf der einen Seite darum, sich auf dem lukrativen Rechtsrock-Markt auszubreiten. Auf der anderen Seite stehe Browning auch eindeutig für neonazistischen Terror, mit seiner Präsenz in Deutschland wachse auch die Anschlagsgefahr.
Der Rechtsrock-Experte Jan Raabe sieht nur indirekte Verbindungen zwischen Dortmund und Unterwasser. Bei beiden Events seien allerdings Nazis aktiv gewesen, die seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten in der Szene aktiv sind. Insgesamt nehme im Bereich Rechtsrock gerade die Dynamik ab, weniger Bands werden gegründet und weniger Konzerte veranstaltet, so Raabe. Dafür würden sich die Strukturen allerdings verfestigen, in Thüringen zum Beispiel habe man eigene Immobilien und Gelände, die zur Verfügung stünden.