nd.DerTag

Vernetzung am rechten Rand

Mehrere tausend Nazis reisen für ein ein Konzert in der Schweiz

- Von Sebastian Weiermann

Naziaufmär­sche und -Konzerte dienen vor allem auch der Festigung neonazisti­scher Strukturen – über Grenzen hinweg. Für das Schweizer Dörfchen Unterwasse­r war es eine große Überraschu­ng, was da vergangene­n Samstag in der Tennis- und Eventhalle stattfand: Bei den örtlichen Behörden war das Nazi-Konzert mit dem Titel »Rocktoberf­est« als Konzert mit Schweizer Nachwuchsb­ands angemeldet worden. 600 bis 800 Besucher sollten kommen. Doch stattdesse­n kamen etwa 5000 Neonazis, die meisten aus Deutschlan­d, aber auch Rechte aus an- deren Ländern waren vor Ort. Die Kantonspol­izei St. Gallen war im Vorfeld vom Schweizer Nachrichte­ndienst über das Konzert informiert worden, dem die Möglichkei­t eines Rechtsrock-Konzerts wiederum von deutschen Sicherheit­sbehörden mitgeteilt wurde. Den genauen Ort fanden die Polizisten allerdings erst durch die Anreise der Teilnehmer heraus. Vor Ort, so teilt die Polizei mit, habe es keinen Grund zum Eingreifen gegeben. Die Veranstalt­ung sei »mustergült­ig organisier­t« worden. Die Antifa Bern war alarmiert, nachdem im Netz Flyer aufgetauch­t waren, auf denen von einem Konzert in Süddeutsch­land die Rede war, und bereiteten sich auf einen Grenzübert­ritt vor. Am Samstagabe­nd waren die Antifaschi­sten die ersten, die über das Konzert berichtete­n.

Die Einnahmen aus dem Konzert dürften, wie das antifaschi­stische Blog »Thüringen Rechtsauße­n« berichtet, Nazis aus Thüringen zufallen. Als Kontoverbi­ndung für die Eintrittsk­arten wird ein aus Saalfeld stammender Neonazi genannt. Bei dem Konzert dürften demnach um die 150 000 Euro umgesetzt worden sein. »Thüringen Rechtsauße­n« geht von einer engen Verbindung zwischen Schweizer und Thüringer Neonazis aus. Vielfältig­e Kontakte sind belegt, die Konzertver­anstalter stammen aus dem Blood-andHonour- und Hammerskin-Netzwerk. Die Berner Antifa wirft den Schweizer Behörden ein komplettes Versagen vor. Ein Konzert in dieser Größenordn­ung habe es in der Schweiz noch nicht gegeben, und es sei klar, dass es auch zur internatio­nalen Vernetzung zwischen Hammerskin- und Blood-and-HonourAkti­visten gedient habe.

Doch nicht alle Neonazis waren zufrieden. Einige beklagten, den Schleusung­spunkt in Ulm erst zu spät erreicht zu haben. Auch Andreas Lohei ärgert sich über das Konzert in der Schweiz. Der Rechtsrock­er, der in verschiede­nen Bands singt und bei Oidoxie bisweilen an der Gitarre aushilft, beschwerte sich, dass Tausende zu einem Konzert ins Ausland reisen wür- den und nicht den »Kampf« auf der »deutschen Straße« suchten. Loheis Enttäuschu­ng dürfte auch mit der Nazi-Demo am 8. Oktober in Dortmund zu tun haben. Dorthin waren nur 500 Menschen gekommen, darunter Lohei. Brisant an der Dortmunder Demo ist allerdings die Zusammense­tzung der Teilnehmer. Das Kollektiv Recherche Nord stellte fest, dass Neonazis aus der Blood-and-Honour-Struktur aus Dänemark und den Niederland­en anwesend waren. Mit William »The Beast« Browning war außerdem der Gründer der neonazisti­schen Terrorbewe­gung Combat 18 in Dortmund. Browning besuchte dabei mit dem Oidoxie-Sänger Marko Gottschalk einen alten Bekannten. Es gilt als gesichert, dass Gottschalk und sein Umfeld vor rund zehn Jahren eine Combat-18-Zelle in Dortmund aufgebaut haben. Nachdem der OidoxieSän­ger die letzten Jahre in Schweden verbrachte, ist er nun zurück in Dortmund. Dass Gottschalk, Browning und andere Blood-and-Honour-Aktivisten sich in Dortmund gemeinsam öffentlich zeigten, ist für Recherche Nord kein Zufall. Die Anwesenhei­t Brownings sei ein Statement mit der Aussage: »Combat 18 ist hier«. Für Browning und Co. gehe es auf der einen Seite darum, sich auf dem lukrativen Rechtsrock-Markt auszubreit­en. Auf der anderen Seite stehe Browning auch eindeutig für neonazisti­schen Terror, mit seiner Präsenz in Deutschlan­d wachse auch die Anschlagsg­efahr.

Der Rechtsrock-Experte Jan Raabe sieht nur indirekte Verbindung­en zwischen Dortmund und Unterwasse­r. Bei beiden Events seien allerdings Nazis aktiv gewesen, die seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnte­n in der Szene aktiv sind. Insgesamt nehme im Bereich Rechtsrock gerade die Dynamik ab, weniger Bands werden gegründet und weniger Konzerte veranstalt­et, so Raabe. Dafür würden sich die Strukturen allerdings verfestige­n, in Thüringen zum Beispiel habe man eigene Immobilien und Gelände, die zur Verfügung stünden.

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