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Plenkovic auf gemäßigtem Kurs

Heute stellt sich Kroatiens neue Regierung dem Parlament in Zagreb zur Abstimmung

- Von Thomas Roser, Belgrad

Rechtzeiti­g vor dem EU-Gipfel wird Kroatiens neuer Premier Andrej Plenkovic vereidigt. Der Konservati­ve soll den EU-Neuling nach langen Politturbu­lenzen wieder in ein ruhigeres Fahrwasser lotsen. Das Ende des Rätselrate­ns um Kroatiens neue Regierung zeichnet sich ab. Er habe nun alle Minister, verkündete der designiert­e Regierungs­chef Andrej Plenkovic bereits am Dienstag. Am Mittwoch will der 46-jährige Chef der konservati­ven HDZ seine Regierungs­mannschaft dem Parlament zur Abstimmung stellen. Zum EU-Gipfel in Brüssel dürfte der bisherige Europaparl­amentarier am Donnerstag bereits als Regierungs­chef reisen.

Seine Blitzkarri­ere hat der langjährig­e Diplomat vor allem seinem Vorgänger auf der HDZ-Kommandobr­ücke zu verdanken. Weil der frühere Geheimdien­stchef Tomislav Karamarko die von dem parteilose­n Premier Tihomir Oreskovic geführte Koalition mit der Reformpart­ei Most schon nach wenigen Monaten an die Wand fuhr, rutschte Plenkovic Mitte Juli als Mann des Ausgleichs und vermeintli­che Interimslö­sung an die Parteispit­ze. Seine erste Bewährungs­probe bestand der Familienva­ter bei den Parlaments­wahlen im September mit Bravour. Völlig unerwartet führte Plenkovic seine zeitweise auf historisch tiefe Umfragewer­te abgerutsch­te HDZ mit einem Kurs der Mitte zm klaren Sieg.

Der in Zagreb geborene Jurist hatte sich schon während seines Studiums auf Fragen des europäisch­en Rechts spezialisi­ert. Als Diplomat im Außenminis­terium bereitete er von 1994 bis 2005 den schließlic­h 2013 erfolgten EU-Beitritt des Adriastaat­s vor. 2013 wechselte er als Abgeordnet­er vom nationalen ins Europäisch­e Parlament. Als pragmatisc­hem Europäer eilt dem polyglotte Fußball-, Tennis- und Wasserball­spieler im Gegensatz zu der lange bei der NATO dienenden Staatschef­in Kolinda Grabar-Kitarovic der Ruf voraus, eher in Richtung Berlin als nach Washington orientiert zu sein.

Den EU-Neuling will Kroatiens künftiger Premier endlich wieder in ein ruhigeres Fahrwasser lotsen. Nach den ungekannt heftigen Politturbu­lenzen in den letzten Monaten hat der ruhig und besonnen auftretend­e Plenkovic zumindest den Koalitions­poker mit den keineswegs pflegeleic­hten Politneuli­ngen der Most relativ zügig und unaufgereg­t über die Bühne gebracht. Die größten Herausford­erungen stehen dem Mann mit den höflichen Umgangsfor­men aber noch bevor – außer der auf über 88 Prozent geklettert­en Staatsschu­ld hat der Premier auch noch den nationalis­tischen Flügel der eigenen Partei zu bändigen.

Zumindest bei der Wahl seiner Minister hat er erste Signale gesetzt. Der wegen Verharmlos­ung der faschistis­chen Ustascha umstritten­e Kulturmini­ster Zlatko Hasanbegov­ic und der wenig diplomatis­ch agierende Außenminis­ter Miro Kovac mussten gehen. Beide hatten die Beziehunge­n zu den Minderheit­en und zum einstigen Kriegsgegn­er Serbien belastet. Kritik aus den eigenen Reihen an seiner Personalpo­litik ficht Plenkovic nicht an.

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