Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs
Das brandenburgische Handwerk stößt an seine eigenen Grenzen. Die Auftragslage ist prächtig, doch für die Ausweitung des Erfolgs fehlen zunehmend personelle Ressourcen. Die Lage war noch nie so gut wie heute, sagte der Präsident des brandenburgischen Handwerkskammertages, Robert Wüst, als er am Dienstag die Ergebnisse der Herbstumfrage im Handwerk vorlegte. Zur Existenzfrage werde dabei aber die Nachwuchs- und Fachkräftesicherung.
Ausdrücklich bestätigte Wüst, dass alle drei Handwerkskammern – Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus – auf ähnliche Tendenzen verweisen: Die Auftragsbücher seien voll, der Umsatz sei gestiegen, die Aussichten seien für die meisten Betriebe blendend. Die Geschäftslage erreiche erneut Spitzenwerte, womit der Aufwärtstrend seit 2013 ungebrochen fortgesetzt habe. Im Kammerbereich Westhavelland (Potsdam) schätzten 94,7 Prozent (Vorjahr: 92,9 Prozent) aller Handwerker ihre Situation als sehr gut, gut oder befriedigend ein – ein historischer Spitzenwert.
Von 3500 schriftlich befragten Betriebe hätten – wie gewohnt – etwa 15 Prozent geantwortet. Über alle Gewerke betrachtet, legte demnach das Handwerk auch bei den Umsätzen noch einmal zu. Jeder vierte Befragte vermeldete dies. Nur bei 14 Prozent der Betriebe sanken die Umsätze.
Wüst: »Anders als im letzten Jahr wird die positive Entwicklung aktuell von fast allen Handwerksbranchen getragen.« Im KfzHandwerk scheine nicht nur der Abgasskandal, sondern auch die Talsohle überwunden zu sein. Damit würden in diesem Bereich erstmals seit Jahren auch wieder die positiven Umsatzmeldungen überwiegen. »Das Servicegeschäft läuft gut und auch die Absatzzahlen für Neu- und Gebrauchtwagen sind wieder gestiegen.«
Rund drei Viertel aller Handwerksbetriebe geben an, voll aus-
»Anders als im letzten Jahr wird die positive Entwicklung aktuell von fast allen Handwerksbranchen getragen.« Robert Wüst, Präsident Handwerkskammertag
gelastet zu sein. Inzwischen müssen Unternehmen schon Aufträge verweigern, bestätigte Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig. Die Achillesferse bleibe die Mitarbeitersituation – dem westbrandenburgischen Handwerk fehlt es auch weiter an Auszubildenden und Fachkräften. Allein im aktuellen Ausbildungsjahr konnten rund 400 Ausbildungsbildungsplätze im Kammerbezirk nicht besetzt werden.
Bührig wies darauf hin, dass 30 Prozent der befragten Handwerker mit steigenden Einkaufpreisen für Rohstoffe, Betriebsmittel und Halbfabrikate rechnen, aber nur 15 Prozent der Betriebe planen, mit ihren Preisen höher zu gehen. Er ermunterte die Unternehmen, die Preise »anzupassen« und die eigene Belegschaft am Mehrgewinn zu beteiligen. Was die Einkommenshöhe betreffe, könne das Handwerk »durchaus noch etwas aufholen«.
Die ungebrochen gute Auftragslage vor allem für das Bauund Ausbaugewerbe erklären sich die Funktionäre mit den niedrigen Zinsen, die viele Menschen zum Bau oder zur Ertüchtigung von Immobilien bewegen würden. Das Handwerk verdiene derzeit gut, investiere bei sich selbst aber weiterhin zu wenig. Damit halte die Investitionszurückhaltung seit nunmehr 24 Monaten an.