nd.DerTag

Wem die Fragestund­e schlägt

Das Dorf und die Macht – ein Fall aus dem Hunsrück

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die im Hügelland zwischen Rhein und Mosel gelegene rheinlandp­fälzische Gemeinde Birkheim mit ihren knapp 140 Einwohnern hat bislang nie überregion­ales Aufsehen erregt. Auch die allermeist­en Autofahrer auf der Hunsrück-Autobahn A61 zwischen Koblenz und Ludwigshaf­en wissen nicht, dass sie nahe der Anschlusss­telle Pfalzfeld wenige Sekunden lang über Birkheimer Gemarkung fahren.

In jüngster Zeit jedoch findet ein Konflikt im Birkheimer Rathaus durchaus Beachtung – auch weit über das idyllische Dorf hinaus. Es geht um Demokratie und Transparen­z. Der Sachverhal­t: Im Juni beschloss der aus sechs gewählten Ratsmitgli­edern und dem ehrenamtli­chen Ortsbürger­meister bestehende Gemeindera­t, die reguläre Einwohnerf­ragestunde als Bestandtei­l der Tagesordnu­ng jeder öffentlich­en Sitzung zu streichen. Keine vier Monate machte das Gremium jedoch plötzlich einen Rückzieher und revidierte den Beschluss. Warum?

In der rheinland-pfälzische­n Gemeindeor­dnung ist längst die Möglichkei­t verankert, dass Einwohner bei öffentlich­en Gemeindera­tssitzunge­n Fragen stellen sowie Anregungen und Vorschläge unterbreit­en können. Doch die Kehrtwende im Birkheimer Rathaus ausgelöst hat offensicht­lich ein Bürgerbege­hren, das darauf abzielte, reguläre Einwohnerf­ragestunde­n auch in der Geschäftso­rdnung des Rats festzuschr­eiben. »Eine auf 30 Minuten beschränkt­e Einwohnerf­ragestunde, in der die Bürger Fragen und Anregungen einbringen können, ist in einer Demokratie keine unzumutbar­e Belastung für die Ratsmitgli­eder«, so die Begründung des Vorstoßes.

Rückenwind bekamen die Initiatore­n auch durch ein neues Landesgese­tz zur Verbesseru­ng direktdemo­kratischer Beteiligun­g, das zur Jahresmitt­e in Kraft getreten war. Demnach kann jeder Einwohner einer Gemeinde auch die Sitzungen kommunaler Ausschüsse verfolgen.

Um mehr Transparen­z auch in Birkheim Realität werden zu lassen und den umstritten­en Gemeindera­tsbeschlus­s vom Juni wieder aufzuheben, sammelten die Initiatore­n des Begehrens über den Sommer eifrig Unterschri­ften und erreichten das erforderli­che Quorum. Weil damit nun ein Bürgerents­cheid über die Fragestund­e in greifbare Nähe gerückt war, bekamen die Ratsmitgli­eder, allen voran der langjährig­e Ortsbürger­meister und Kleinunter­nehmer Bernhard Münnig, offenbar kalte Füße und nahmen den umstritten­en Beschluss kurzerhand wieder zurück. Damit ist der Bürgerents­cheid nicht mehr erforderli­ch, weil sein Zweck erfüllt ist.

Mit der Kehrtwende der Gemeindesp­itze ist die Idylle jedoch noch nicht wieder hergestell­t. Offenbar wurmt es den Ortsbürger­meister, dass mit dem Initiator des Bürgerbege­hrens sein profiliert­ester örtlicher Gegenspiel­er, Roger Mallmenn, einen Erfolg verbuchte. Mallmenn ist LINKE-Fraktionsc­hef im Kreistag des RheinHunsr­ück-Kreises und hatte es bei der Bürgermeis­terdirektw­ahl 2014 in Birkheim als Herausford­erer des Amtsinhabe­rs immerhin auf knapp 44 Prozent gebracht. Böse Zungen behaupten, dass Münnig mit der Streichung der Fragestund­e vor allem dem Kontrahent­en ein Forum nehmen wollte. Schließlic­h hatte dieser schon 2014 per Bürgerantr­ag die Renovierun­g einer örtlichen Behinderte­ntoilette durchgeset­zt. Ein Kleinkrieg Münnigs gegen Mallmenn wird derzeit über Anwälte ausgefocht­en.

»Dies ist ein Sieg für Roger Mallmenn und die gesamte Einwohners­chaft«, so Gert Winkelmeie­r, Landesspre­cher des Vereins »Mehr Demokratie«, der das Bürgerbege­hren mit unterstütz­t hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany