Wem die Fragestunde schlägt
Das Dorf und die Macht – ein Fall aus dem Hunsrück
Die im Hügelland zwischen Rhein und Mosel gelegene rheinlandpfälzische Gemeinde Birkheim mit ihren knapp 140 Einwohnern hat bislang nie überregionales Aufsehen erregt. Auch die allermeisten Autofahrer auf der Hunsrück-Autobahn A61 zwischen Koblenz und Ludwigshafen wissen nicht, dass sie nahe der Anschlussstelle Pfalzfeld wenige Sekunden lang über Birkheimer Gemarkung fahren.
In jüngster Zeit jedoch findet ein Konflikt im Birkheimer Rathaus durchaus Beachtung – auch weit über das idyllische Dorf hinaus. Es geht um Demokratie und Transparenz. Der Sachverhalt: Im Juni beschloss der aus sechs gewählten Ratsmitgliedern und dem ehrenamtlichen Ortsbürgermeister bestehende Gemeinderat, die reguläre Einwohnerfragestunde als Bestandteil der Tagesordnung jeder öffentlichen Sitzung zu streichen. Keine vier Monate machte das Gremium jedoch plötzlich einen Rückzieher und revidierte den Beschluss. Warum?
In der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung ist längst die Möglichkeit verankert, dass Einwohner bei öffentlichen Gemeinderatssitzungen Fragen stellen sowie Anregungen und Vorschläge unterbreiten können. Doch die Kehrtwende im Birkheimer Rathaus ausgelöst hat offensichtlich ein Bürgerbegehren, das darauf abzielte, reguläre Einwohnerfragestunden auch in der Geschäftsordnung des Rats festzuschreiben. »Eine auf 30 Minuten beschränkte Einwohnerfragestunde, in der die Bürger Fragen und Anregungen einbringen können, ist in einer Demokratie keine unzumutbare Belastung für die Ratsmitglieder«, so die Begründung des Vorstoßes.
Rückenwind bekamen die Initiatoren auch durch ein neues Landesgesetz zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligung, das zur Jahresmitte in Kraft getreten war. Demnach kann jeder Einwohner einer Gemeinde auch die Sitzungen kommunaler Ausschüsse verfolgen.
Um mehr Transparenz auch in Birkheim Realität werden zu lassen und den umstrittenen Gemeinderatsbeschluss vom Juni wieder aufzuheben, sammelten die Initiatoren des Begehrens über den Sommer eifrig Unterschriften und erreichten das erforderliche Quorum. Weil damit nun ein Bürgerentscheid über die Fragestunde in greifbare Nähe gerückt war, bekamen die Ratsmitglieder, allen voran der langjährige Ortsbürgermeister und Kleinunternehmer Bernhard Münnig, offenbar kalte Füße und nahmen den umstrittenen Beschluss kurzerhand wieder zurück. Damit ist der Bürgerentscheid nicht mehr erforderlich, weil sein Zweck erfüllt ist.
Mit der Kehrtwende der Gemeindespitze ist die Idylle jedoch noch nicht wieder hergestellt. Offenbar wurmt es den Ortsbürgermeister, dass mit dem Initiator des Bürgerbegehrens sein profiliertester örtlicher Gegenspieler, Roger Mallmenn, einen Erfolg verbuchte. Mallmenn ist LINKE-Fraktionschef im Kreistag des RheinHunsrück-Kreises und hatte es bei der Bürgermeisterdirektwahl 2014 in Birkheim als Herausforderer des Amtsinhabers immerhin auf knapp 44 Prozent gebracht. Böse Zungen behaupten, dass Münnig mit der Streichung der Fragestunde vor allem dem Kontrahenten ein Forum nehmen wollte. Schließlich hatte dieser schon 2014 per Bürgerantrag die Renovierung einer örtlichen Behindertentoilette durchgesetzt. Ein Kleinkrieg Münnigs gegen Mallmenn wird derzeit über Anwälte ausgefochten.
»Dies ist ein Sieg für Roger Mallmenn und die gesamte Einwohnerschaft«, so Gert Winkelmeier, Landessprecher des Vereins »Mehr Demokratie«, der das Bürgerbegehren mit unterstützt hatte.