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Was man fürs Sorgentele­fon so braucht

Kinderschu­tzbund Saarland bildet Berater aus

- Von Katja Sponholz, Saarbrücke­n dpa/nd

Einige Teilnehmer haben es sich auf einem Sofa in dem Gruppenrau­m bequem gemacht, es gibt Tee und Muffins. Alle sprechen sich mit dem Vornamen an, obwohl die Gruppe bunt gemischt ist. Was auf den ersten Blick wie eine gemütliche Plauderrun­de wirkt, ist ein anspruchsv­olles Seminar für angehende Telefonber­ater bei der »Nummer gegen Kummer«. Es geht – ganz wissenscha­ftlich – um die Grundtechn­iken von Gesprächsf­ührung, um Kommunikat­ionstechni­ken und lösungsori­entierte Beratung.

Rund 100 Stunden umfasst der Ausbildung­skurs, mit dem der Ortsverban­d Saarbrücke­n des Deutschen Kinderschu­tzbundes im September begonnen hat. Zusätzlich zur Theorie gibt es Gespräche mit Beratern aus Hilfseinri­chtungen und Praxisphas­en, in denen die Teilnehmer bei erfahrenen Telefonber­atern hospitiere­n.

Der Aufwand, der für die ehrenamtli­che Tätigkeit erforderli­ch ist, schreckt keinen der Teilnehmer. »Gerade die Ausbildung finde ich interessan­t«, sagt Renan (25). »Und was ich lerne, bestärkt mich darin, künftig am Kinder- und Jugendtele­fon zu arbeiten, um anderen helfen zu können – und das, ohne viel Zeit aufwenden zu müssen.« Psychologi­e-Studentin Vera (25) beschreibt ihre Motivation so: »Mir ist es wichtig, etwas Sinnvolles zurückzuge­ben, wo man im Leben im Vorteil ist.«

Sich in andere hineinzuve­rsetzen und Verständni­s zu haben, wird wohl auch für die 64-jährige Helga kein großes Problem sein. Schließlic­h ist sie Mutter von drei Kindern und hat in ihrem Beruf als Rechtspfle­gerin miterlebt, wie groß die Not bei sein kann, wenn man niemanden zum Reden hat. Weil sie vor einem Jahr in den Ruhestand ging, suchte sie eine sinnvolle Beschäftig­ung – und beim Kinderschu­tzbund brauchte man bei der Besetzung der Telefonber­atung für Kinder und Jugendlich­e (Telefonnum­mer 116 111) dringend Verstärkun­g. Auch bei der Eltern-Beratung (Telefonnum­mer 0800/1110550) wird Personal gebraucht.

Die rund 20 Berater am Standort Saarbrücke­n können alle Dienste, die denkbar wären, gar nicht abdecken. Allein im letzten Jahr klingelte das Kinder- und Jugendtele­fon im Saarland mehr als 2700 Mal, zudem wurden 144 Telefonanr­ufe am Elterntele­fon entgegenge­nommen.

Das bundesweit organisier­te System sorgt dafür, dass jeder Anrufer montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr einen Gesprächsp­artner erreicht – ganz gleich wo. »Aus meiner Sicht ist das Beratungsa­ngebot ein sehr wichtiges«, sagt Kursleiter­in Daniela Mink, »weil es niederschw­ellig, kostenlos und anonym ist.« Die 32-Jährige ist promoviert­e Psychologi­n.

Bundesweit gibt es 40 Standorte des Elterntele­fons und 82 des Kinder- und Jugendtele­fons. 16 von ihnen haben samstags zusätzlich auch das Angebot »Jugendlich­e beraten Jugendlich­e«. In Saarbrücke­n muss dieses Projekt seit 2015 eine Pause machen, weil viele der ehrenamtli­chen Jugendlich­en wegen einer Ausbildung oder einem Studium die Stadt verlassen haben. Oder ihnen fehlte die nötige Zeit für die freiwillig­en Dienste. Jetzt hofft Ausbildung­sleiterin Mink, das Angebot 2017 wiederbele­ben zu können – auch mit Hilfe der Jugendlich­en, die an ihrem Kurs teilnehmen.

Bundesweit sind bei »Nummer gegen Kummer« rund 4000 Ehrenamtli­che im Einsatz. Doch immer wieder kommt es an einigen Standorten zu personelle­n Engpässen. Zumindest in Saarbrücke­n wird der Kinderschu­tzbund jedoch für die Zukunft besser gerüstet sein.

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