Probleme unter dem Teppich
Nach der Katastrophe im Ludwigshafener BASF-Werk hat die Aufarbeitung begonnen
Beim Chemiekonzern BASF häufen sich die Störfälle. Nach mindestens zwei Toten und mehreren Verletzten will die Landespolitik nun genauer hinschauen. Einen Tag nach der schweren Explosion am Nordhafen der pfälzischen Industriestadt Ludwigshafen hat am Dienstag die Ursachenermittlung begonnen – und eine Diskussion über die Konsequenzen der in jüngster Zeit gehäuft vorkommenden Unfälle beim Chemiekonzern BASF eingesetzt. Die Explosion war das schwerste Unglück seit Jahrzehnten am Chemiestandort Ludwigshafen und im Dreiländereck von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen. Bei der Katastrophe auf dem Werksgelände waren zwei Angehörige der Werksfeuerwehr getötet worden. Eine Person wird noch vermisst, über 20 Menschen wurden teilweise schwer verletzt.
Anwohner sollten auch am Dienstag Fenster und Türen geschlossen halten und längere Aufenthalte im Freien vermeiden. Die Feuerwehr habe erhöhte Werte chemischer Substanzen gemessen, so die Stadtverwaltung. In angrenzenden Stadtteilen kam es immer wieder zu intensiven Geruchsbelästigungen. 133 Menschen waren evakuiert worden, viele Anlagen wurden gestoppt.
Dass es sich bei der Katastrophe um keine lokale Angelegenheit handelt, machte die Präsenz von Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor Ort deutlich. Die Folgen des Unglücks sollen nach dem Willen der Koalitionsfraktionen aus SPD, FDP und Grüne bald den Mainzer Landtag beschäftigen.
Die Betriebsamkeit der landespolitischen Akteure ist kein Zufall: Seit Jahresbeginn waren auf dem BASFGelände 15 Störfälle gemeldet worden, bei denen Gase, Säuren oder Ruß in die Luft beziehungsweise den Rhein entwichen waren. Anfang Oktober hatte eine offizielle Inspektion stattgefunden, deren Ergebnis aber erst im November verkündet werden soll. »Die BASF kommt zwar ihren Verpflichtungen gemäß Vorschriften nach, nicht aber ihrer Verantwortung für Mitarbeiter und Bevölkerung«, bringt Gerald Unger von der Linksfraktion im Ludwigshafener Rathaus das in Teilen der Bevölkerung vorhandene Unbehagen zum Ausdruck. »Die Kontrollmöglichkeiten der Behörden sind begrenzt und der Konzern ist bemüht, Probleme unter dem Teppich zu halten.«
Eine Ursache von Störfällen liege darin, dass Produktionsbereiche ausgegliedert worden seien. Fremdfirmen oder Leiharbeiter seien in Sicherheitsfragen nicht so gut geschult wie die Stammbelegschaft, so Unger. Dies habe bereits bei früheren Unfällen eine Rolle gespielt. Die LINKE will bei der nächsten Sitzung des Umweltausschusses von der Stadtspitze wissen, welche Pläne sie für den Ka- tastrophenfall zum Schutz der Zivilbevölkerung wie auch von Feuerwehrleuten, Polizisten und Beschäftigten im Nahverkehr hat.
Viele Menschen hatten am Montag das Feuer und die mehrere hundert Meter hohe Rauchsäule wahrgenommen und diskutieren seither über die Katastrophe. Während etliche dem BASF-Krisenmanagement vertrauen, sind in lokalen Medien und sozialen Netzwerken auch kritische Stimmen zu vernehmen: Es sei »interessant, dass man nicht sagen kann, welche Stoffe abgebrannt sind, gleichzeitig jedoch sagen kann, dass keine Gefahr durch die Wolke besteht«, heißt es in einem Beitrag in Anspielung auf Äußerungen von BASF-Betriebsleiter Uwe Liebelt bei einer Pressekonferenz am Montag. Dort hatte der Manager zunächst keine konkreten Aussagen zu den Gefahrstoffen gemacht.
»Die rücken nur nicht mit der Wahrheit raus, denn es könnte ja irgendwas rauskommen, was die Bevölkerung nicht wissen darf«, meint ein anderer Facebook-User. »Es ist alles computerüberwacht und wird genau festgehalten. Ich habe schon in einigen Chemiewerken gearbeitet und kenne die Elektrik und Überwachung«, so ein Insider der Branche. »Die wissen genau, wie giftig das ganze Zeug ist.« Inzwischen wird davon ausgegangen, dass es sich bei den die Explosion auslösenden Gasen um Propylen und Ethylen handeln dürfte.
Liebelt war von der Meldung über die Explosion überrascht worden, als er sich auf dem BASF-Betriebsgelände im 20 Kilometer entfernten Lampertheim über einen Zwischenfall informieren ließ. Bei einer Verpuffung an einem Filter waren am Montag vier Arbeiter verletzt worden.