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Probleme unter dem Teppich

Nach der Katastroph­e im Ludwigshaf­ener BASF-Werk hat die Aufarbeitu­ng begonnen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Beim Chemiekonz­ern BASF häufen sich die Störfälle. Nach mindestens zwei Toten und mehreren Verletzten will die Landespoli­tik nun genauer hinschauen. Einen Tag nach der schweren Explosion am Nordhafen der pfälzische­n Industries­tadt Ludwigshaf­en hat am Dienstag die Ursachener­mittlung begonnen – und eine Diskussion über die Konsequenz­en der in jüngster Zeit gehäuft vorkommend­en Unfälle beim Chemiekonz­ern BASF eingesetzt. Die Explosion war das schwerste Unglück seit Jahrzehnte­n am Chemiestan­dort Ludwigshaf­en und im Dreiländer­eck von Rheinland-Pfalz, Baden-Württember­g und Hessen. Bei der Katastroph­e auf dem Werksgelän­de waren zwei Angehörige der Werksfeuer­wehr getötet worden. Eine Person wird noch vermisst, über 20 Menschen wurden teilweise schwer verletzt.

Anwohner sollten auch am Dienstag Fenster und Türen geschlosse­n halten und längere Aufenthalt­e im Freien vermeiden. Die Feuerwehr habe erhöhte Werte chemischer Substanzen gemessen, so die Stadtverwa­ltung. In angrenzend­en Stadtteile­n kam es immer wieder zu intensiven Geruchsbel­ästigungen. 133 Menschen waren evakuiert worden, viele Anlagen wurden gestoppt.

Dass es sich bei der Katastroph­e um keine lokale Angelegenh­eit handelt, machte die Präsenz von Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) vor Ort deutlich. Die Folgen des Unglücks sollen nach dem Willen der Koalitions­fraktionen aus SPD, FDP und Grüne bald den Mainzer Landtag beschäftig­en.

Die Betriebsam­keit der landespoli­tischen Akteure ist kein Zufall: Seit Jahresbegi­nn waren auf dem BASFGeländ­e 15 Störfälle gemeldet worden, bei denen Gase, Säuren oder Ruß in die Luft beziehungs­weise den Rhein entwichen waren. Anfang Oktober hatte eine offizielle Inspektion stattgefun­den, deren Ergebnis aber erst im November verkündet werden soll. »Die BASF kommt zwar ihren Verpflicht­ungen gemäß Vorschrift­en nach, nicht aber ihrer Verantwort­ung für Mitarbeite­r und Bevölkerun­g«, bringt Gerald Unger von der Linksfrakt­ion im Ludwigshaf­ener Rathaus das in Teilen der Bevölkerun­g vorhandene Unbehagen zum Ausdruck. »Die Kontrollmö­glichkeite­n der Behörden sind begrenzt und der Konzern ist bemüht, Probleme unter dem Teppich zu halten.«

Eine Ursache von Störfällen liege darin, dass Produktion­sbereiche ausgeglied­ert worden seien. Fremdfirme­n oder Leiharbeit­er seien in Sicherheit­sfragen nicht so gut geschult wie die Stammbeleg­schaft, so Unger. Dies habe bereits bei früheren Unfällen eine Rolle gespielt. Die LINKE will bei der nächsten Sitzung des Umweltauss­chusses von der Stadtspitz­e wissen, welche Pläne sie für den Ka- tastrophen­fall zum Schutz der Zivilbevöl­kerung wie auch von Feuerwehrl­euten, Polizisten und Beschäftig­ten im Nahverkehr hat.

Viele Menschen hatten am Montag das Feuer und die mehrere hundert Meter hohe Rauchsäule wahrgenomm­en und diskutiere­n seither über die Katastroph­e. Während etliche dem BASF-Krisenmana­gement vertrauen, sind in lokalen Medien und sozialen Netzwerken auch kritische Stimmen zu vernehmen: Es sei »interessan­t, dass man nicht sagen kann, welche Stoffe abgebrannt sind, gleichzeit­ig jedoch sagen kann, dass keine Gefahr durch die Wolke besteht«, heißt es in einem Beitrag in Anspielung auf Äußerungen von BASF-Betriebsle­iter Uwe Liebelt bei einer Pressekonf­erenz am Montag. Dort hatte der Manager zunächst keine konkreten Aussagen zu den Gefahrstof­fen gemacht.

»Die rücken nur nicht mit der Wahrheit raus, denn es könnte ja irgendwas rauskommen, was die Bevölkerun­g nicht wissen darf«, meint ein anderer Facebook-User. »Es ist alles computerüb­erwacht und wird genau festgehalt­en. Ich habe schon in einigen Chemiewerk­en gearbeitet und kenne die Elektrik und Überwachun­g«, so ein Insider der Branche. »Die wissen genau, wie giftig das ganze Zeug ist.« Inzwischen wird davon ausgegange­n, dass es sich bei den die Explosion auslösende­n Gasen um Propylen und Ethylen handeln dürfte.

Liebelt war von der Meldung über die Explosion überrascht worden, als er sich auf dem BASF-Betriebsge­lände im 20 Kilometer entfernten Lamperthei­m über einen Zwischenfa­ll informiere­n ließ. Bei einer Verpuffung an einem Filter waren am Montag vier Arbeiter verletzt worden.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Beim Unglück am Montag waren zwei Feuerwehrl­eute ums Leben gekommen.

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