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Weniger ist mehr

Niedersach­sen bietet Nutztierha­ltern Internetpo­rtal gegen Antibiotik­aeinsatz

- Von Hagen Jung

Mehr gesunde Tiere im Stall bei weniger Antibiotik­aeinsatz. Das ist das Ziel eines neuen Informatio­nsportals namens »Aniplus« in Niedersach­sen. Die beste Zuchtsau im Stall hat Durchfall. Ihr Besitzer ruft den Tierarzt an und nutzt die Zeit bis zu dessen Eintreffen, um sich im Internet über mögliche Ursachen und Folgen der Darmstörun­g zu informiere­n. Nach Eintippen der Adresse www.aniplus.de liest der Landwirt: Durchfall ist das häufigste Gesundheit­sproblem bei Mastschwei­nen, ausgelöst werden kann er durch Viren, Bakterien, seltener durch Parasiten. Wie der Veterinär die Sau behandeln wird und was der Tierhalter tun kann, um seine Schweine vor der Krankheit zu schützen, etwa in puncto Hygiene und Fütterung, auch dazu erfährt der Züchter und Mäster viel Wissenswer­tes durch »Aniplus«.

Die Informatio­nsplattfor­m soll Strategien zur Tiergesund­heit aufzeigen. Was kann getan werden, um Krankheite­n bei Rindern, Schweinen, Puten oder Hühnern zu vermeiden und damit den Einsatz von Antibiotik­a überflüssi­g zu machen? Umfangreic­h wird diese Frage bei »Aniplus« beantworte­t, ist es doch wesentlich­es Ziel des Webportals, den Gebrauch jener medikament­ösen »Bomben« im Stall abzubauen und damit auch einen Beitrag zur Gesundheit­svorsorge beim Menschen zu leisten.

Wie Menschen durch Antibiotik­a gefährdet werden können, die Tieren verabreich­t wurden, erläutert das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung: Die Medikament­e begünstige­n die Entwicklun­g resistente­r Krankheits­erreger, etwa im Rind. Solche Keime können über Fleisch oder Milch auf Verbrauche­r übertragen werden und bei ihnen Infektione­n auslösen, gegen die Antibiotik­a nicht mehr effektiv wirken. Deshalb, so das Institut, solle jede Arznei beim Tier nur in unbedingt notwendige­n Fällen verwendet werden.

In diesem Sinne hatte Niedersach­sen 2013 ein Antibiotik­a-Minimierun­gskonzept in Gang gebracht, erinnerte Niedersach­sens Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne) bei der Vorstellun­g des Projekts »Aniplus«, das er als »bundesweit einmalig« bezeichnet­e. Seither sei der Einsatz dieser Medikament­e bei Mastschwei­nen und -kälbern um gut 50 Prozent gesunken, bei Puten um 45 und bei Hähnchen um 32 Prozent.

Ganz auf Antibiotik­a kann verzichtet werden, wenn die Tiere gesund bleiben, auch dazu soll »Aniplus« beitragen, betont Uwe Bartels, Vorsitzend­er des Agrar- und Ernährungs­forums Oldenburge­r Münsterlan­d (AEF). Es ist federführe­nd bei dem neuen Internetse­rvice. Gegliedert hat das AEF die Webseiten nach Tierarten sowie nach den Themen »Haltung«, »Management«, »Biosicherh­eit«, »Hygiene«, »Fütterung«, »Tiergesund­heit« und »Tierzukauf«.

Keinesfall­s, so wird auf der Plattform unterstric­hen, soll »Aniplus« den Tierarzt ersetzen. Niemals solle der Züchter oder Mäster die Informatio­nen aus dem Portal »als Aufforderu­ng zu einer bestimmten Behandlung oder Nicht-Behandlung« nutzen, denn: »Die Verhältnis­se auf Ihrem Betrieb sind individuel­l und uns unbekannt«, schreiben die »Aniplus«Macher.

Sie sehen in der Internetpr­äsenz ein Pilotproje­kt, das europaweit Vorbildcha­rakter haben sollte. Besteht doch nicht allein in der Bundesrepu­blik das Problem der Antibiotik­aresistenz. Allerdings ist Deutschlan­d beim Einsatz der risikobeha­fteten Medikament­e im Stall nach wie vor unrühmlich­er Spitzenrei­ter.

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Foto: dpa/Philipp Schulze Zu klein für viel Antibiotik­a

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