SPD macht Stimmung für Großprojekte
Studie plädiert für »sozial-ökologisch nachhaltige Verkehrsstruktur« in Nordrhein-Westfalen
Kaputte Straßen und der massive Investitionsstau sind auch in dem bevölkerungsreichsten Bundesland NRW ein Aufregerthema. Doch wie das Problem lösen? Da gehen die Meinungen auseinander. Drei nordrhein-westfälische SPD-Minister stellten in der vergangenen Woche ein »Bündnis für Infrastruktur« vor. Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und den Handelskammern wollen sie für mehr Akzeptanz für Großprojekte werben. Wenige Tage später stellte die LINKEnahe Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Studie zur Mobilität in NordrheinWestfalen vor, die nicht auf Leuchtturmprojekte setzt.
Eigentlich gibt es an Rhein und Ruhr derzeit kaum Probleme mit Großprojekten. Das größte Problemprojekt im Bundesland ist derzeit das Kohlekraftwerk Datteln, das durch Proteste von Umweltschützern und Anwohnern verzögert wurde und dessen, eigentlich für 2011 geplante, Fertigstellung noch immer aussteht. Doch in der Vergangenheit gab es auch in NRW Großprojekte, die zeitlich oder finanziell aus dem Ruder liefen. Das tragischste Beispiel dürfte die Kölner U-Bahn sein. 2009 stürzte hier das Stadtarchiv in die Baugrube. Zwei Menschen starben, wertvolle Archivmaterialien wurden vernichtet. Bis die vier Kilometer lange Strecke fertig ist, soll es nach derzeitigen Planungen bis ins Jahr 2023 dauern. Die Katastrophe in Köln wird auf Baumängel zurückgeführt.
Doch um die vergangenen öffentlich-geförderten Baumaßnahmen geht es Verkehrsminister Michael Groschek, Wirtschaftsminister Garrelt Duin und Finanzminister Norbert Walter-Borjans mit ihrem »Bündnis für Infrastruktur« nicht. Die drei SPDPolitiker wollen für mehr »Akzeptanz in der Bevölkerung« sorgen. Auch der DGB und die Industrie- und Handelskammer (IHK) in NordrheinWestfalen beteiligen sich am Bündnis. Antonia Kühn vom DGB geht davon aus, dass »die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in NRW von einer modernen, gut ausgebauten Infrastruktur nachhaltig profitieren werden«. Für die IHK steht naturgemäß die Wirtschaft im Vordergrund. Sie setzt auf »Planungssicherheit und Verlässlichkeit« für Unternehmen bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten.
Christian Leye, Sprecher der LINKEN in NRW, hält nicht viel von diesem Bündnis. Wenn die SPD sich im Bundestag für Vermögens-, Erbschafts- und Kapitalertragssteuer einsetzen würde, sei in NRW genug Geld für den Infrastrukturausbau vorhanden. Dass die Minister nun Bürgerinitiativen als Infrastrukturhemmnisse darstellten, sei »ein starkes Stück«.
Im Vordergrund des neu geschmiedeten Bündnisses stehen Verkehrsprojekte. Verkehrsminister Groschek betont: »Das Geld ist da.« Es gebe Zusagen vom Bund und nun müssten »die Mittel zügig und effizient verbaut werden«. Um die Verkehrsinfrastruktur zu verbessern, stehen in NRW derzeit einige Großprojekte an. Autobahnen und Brücken im Land sind marode, die wichtige Brücke über die A1 bei Leverkusen ist seit Jahren für Lkw gesperrt, ein Neubau ist bis zum Jahr 2025 geplant.
Auch beim Schienenverkehr steht mit dem Rhein-Ruhr-Express (RRX) ein Großprojekt an. Die Schiene zwischen Dortmund und Köln gehört zu den meist befahrenen im ganzen Land. Verspätungen, Ausfälle und überfüllte Züge sind an der Tagesordnung. Mit dem RRX soll sich das ändern. Bis zum Jahr 2030 will man mit neuen Zügen und einer engeren Taktung diese Probleme lösen und mehr Menschen von der Bahn überzeugen.
Zeitlich passend zum Bündnis der Landesregierung stellte die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) kürzlich eine vom »Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie« erstellte Studie zur Mobilität in NRW vor. Auch die Wuppertaler stellen einen erheblichen Investitionsstau in der Verkehrsinfrastruktur fest. Milliarden müssten im Land investiert werden, da Instandhaltungen in den vergangenen Jahren oft nicht durchgeführt wurden. Die Studie schlägt für die Zukunft einen Dreiklang vor. Verkehr müsse vermieden, verlagert und verbessert werden. Dann sei eine »sozial-ökologisch nachhaltige Verkehrsstruktur« möglich. Als konkrete Schritte werden zum Beispiel eine bessere Abstimmung der verschiedenen Verkehrsträger und die Förderung von Sharing-Konzepten und des Radverkehrs genannt. Die RLS-Studie ist im Internet frei verfügbar: http://www.rosalux.de/publikationen/publication/42586/mobilitaet-in-nordrhein-westfalen.html