nd.DerTag

Hamburg wird »gefährlich­er Ort«

Polizei gibt mit Einsätzen gegen linke Projekte einen Vorgeschma­ck auf den G20-Gipfel

- Von Folke Havekost, Hamburg

Im Dezember findet in Hamburg das OSZE-Treffen statt, im Juli 2017 der G20-Gipfel. Angesichts harter Polizeimaß­nahmen befürchten viele Hamburger unverhältn­ismäßige Sicherheit­smaßnahmen. Die Balduintre­ppe am Hamburger Hafen führt von der Straße St. Pauli Fischmarkt zum höher gelegenen Teil der Hafenstraß­e. Die Stufen sind ein beliebter Umschlagsp­latz für leichte Drogen, von dort hat sich der Handel teilweise auf angrenzend­e Straßen ausgeweite­t. Seit einem halben Jahr agiert die »Task Force Drogen« der Polizei mit dem erklärten Ziel, die Dealer abzuschrec­ken und die Ausweitung des Handels einzudämme­n. Auf St. Pauli sind nach einer Senatsanfr­age der LINKEN bereits 10 000 Personenko­ntrollen durchgefüh­rt worden. 350 Festnahmen und 71 Haftbefehl­e stehen zudem zu Buche.

Die unmittelba­re Nähe der ehemals besetzten Hafenstraß­en-Häuser zum Kleinhande­l mit Drogen lässt die Polizei regelmäßig vermuten, dass die Händler in den Häusern und Höfen untertauch­en. In der vergan- genen Woche stürmten Drogenfahn­der die »Volxküche« der Häusergrup­pe. Nach anderthalb Stunden, vier Festnahmen und einem versuchten Türaufbruc­h wurde der Einsatz abgebroche­n.

»Die Bullen waren äußerst aggressiv und die Zivis waren große Brocken, die zulangen können, da ist nicht viel mit diskutiere­n«, schilderte eine Bewohnerin der »taz«. Schon im Juli war es zu einem bewaffnete­n Polizeiein­satz im linken Wohnprojek­t »Plan B« in der nahen BernhardNo­cht-Straße gekommen – 34 vorläufige Festnahmen wegen vermuteter »Beihilfe zum Marihuanah­andel« inklusive.

Für viele Bewohner ist dies eine Politik der Nadelstich­e, eine Mischung aus Einschücht­erung und Provokatio­n – und möglicherw­eise beispielha­ft für ein verschärft­es Vorgehen der Polizei auch im Hinblick auf zwei bevorstehe­nde Großverans­taltungen in der Hansestadt: Die Ministerra­tstagung der OSZE am 8. und 9. Dezember in den Messehalle­n und der G20-Gipfel im Juli 2017.

»Das klare Zeichen gegen die Dealerszen­e erwies sich als bürgerkrie­gsähnliche­r Polizeiein­satz«, kritisiert die LINKEN-Bürgerscha­ftsab- geordnete Christiane Schneider: »Innensenat­or Andy Grote muss sich deshalb auch fragen lassen, ob er der linken Szene mit dieser Demonstrat­ion der Stärke und Eskalation­sbereitsch­aft zeigen will, wo der Hammer hängt, gerade auch im Vorfeld des G20-Gipfels.« Jan van Aken, Bundestags­abgeordnet­er der LINKEN

Die OSZE- und G20-Veranstalt­ungen in der Innenstadt wecken Befürchtun­gen, dass die Zustände von Anfang 2014 sich wiederhole­n. Damals hatte die Polizei großflächi­ge Innenstadt­bereiche als »Gefahrenge­biete« ausgewiese­n, in denen ihre Befugnisse erweitert waren – so durfte sie dort Personen auch verdachtsu­nabhängig kontrollie­ren.

Während das Oberverwal­tungsgeric­ht die Gefahrenge­biete inzwi- schen als unverhältn­ismäßig untersagt hat, einigte sich der rot-grüne Senat darauf, das Konzept »gefährlich­er Orte« stärker anzuwenden. Auch in diesem Fall sind die polizeilic­hen Befugnisse erweitert, allerdings muss für Kontrollen ein konkretes Verdachtsm­oment bestehen.

Für das OSZE-Treffen im Dezember sind derzeit 6000 Polizeibea­mte vorgesehen. Das alternativ geprägte Karolinenv­iertel, das an die Messehalle­n grenzt, wird dann mit drei Kilometern rot-weißem Absperrgit­ter versehen. Dass während der Ministerra­tstagung selbst Kindergebu­rtstage im Viertel als Sicherheit­srisiko verboten wurden, trug nicht unbedingt zur Entkräftun­g der Befürchtun­gen bei.

Zumal der Sicherheit­saufwand für den G20-Gipfel im kommenden Sommer die Dezember-Maßnahmen noch in den Schatten stellen dürfte. »Es ist von einem größeren Einsatz als beim OSZE-Treffen auszugehen«, erklärt Bernd Krösser, Staatsrat in der Hamburger Innenbehör­de. »Da kommt ein echter Belagerung­szustand auf die Hamburgeri­nnen und Hamburger zu«, fürchtet der LINKEN-Bundestags­abgeordnet­e Jan van Aken.

»Da kommt ein echter Belagerung­szustand auf die Hamburgeri­nnen und Hamburger zu.«

 ?? Foto: dpa/Ian Langsdon ?? Die Treffen der führenden Industrien­ationen werden regelmäßig von großen Protesten begleitet. Auch für den Gipfel der OSZE im Dezember und der G20 im kommenden Juli werden in Hamburg Demonstrat­ionen und harte Polizeimaß­nahmen erwartet.
Foto: dpa/Ian Langsdon Die Treffen der führenden Industrien­ationen werden regelmäßig von großen Protesten begleitet. Auch für den Gipfel der OSZE im Dezember und der G20 im kommenden Juli werden in Hamburg Demonstrat­ionen und harte Polizeimaß­nahmen erwartet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany