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»Geld für geraubtes Land«

Auf einem internatio­nalen Kongress in Berlin forderten Nama und Herero Beteiligun­g an der Aufarbeitu­ng des Völkermord­es

- Von Peter Nowak

Die Bundesregi­erung verweigert den Nachfahren der Opfer Reparation­en, verhandeln will sie nur mit der namibische­n Regierung. Namaund Hereroorga­nisationen streiten für die Rechte der Opfer. Die Wahl des Ortes hatte Symbolchar­akter. Mitten im afrikanisc­hen Viertel in Berlin tagte am vergangene­n Wochenende ein transnatio­naler Herero-und Nama-Kongress unter dem Motto »Restorativ­e Justice after Genocide«.

Delegierte von Herero- und Namaorgani­sationen aus aller Welt bekräftigt­en, dass Verhandlun­gen über die Aufarbeitu­ng und Aussöhnung des Genozids deutscher Kolonialtr­uppen an den Volksgrupp­en der Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1908 ohne Beteiligun­g der Opfergrupp­en nicht möglich sind.

Bisher will die Bundesregi­erung nur mit der namibische­n Regierung verhandeln und weigert sich, Reparation­en an die Nachfahren der Opfer zu zahlen.

»Es ist nicht die Frage, ob Deutschlan­d für den Völkermord bezahlen wird. Es geht nur darum, wann und wie viel sie zahlen müssen«, betonte ein in den USA lebender Delegierte­r. Er verwies darauf, dass in den USA Klagen gegen die Bundesrepu­blik vorbereite­t werden, wenn die deutsche Regierung nicht über Reparation­en verhandeln will.

Nach den von Deutschlan­d unterzeich­neten UN-Vereinbaru­ngen müssen die Opfer und die Nachfahren von Völkermord­en entschädig­t werden. Daher hatten sich alle früheren Bundesregi­erungen strikt geweigert, das Wort Genozid im Zusammenha­ng mit den deutschen Verbrechen im heutigen Namibia zu verwenden.

Auch die damalige sozialdemo­kratische Entwicklun­gshilfemin­isterin Heidi Wieczorek-Zeul vermied das Wort Genozid, als sie 2004 in Namibia für die Verbrechen um Entschuldi­gung bat. In einer Grußadress­e an den Kongress sprach sie sich für Kompensati­onszahlung­en an die Nachfahren der Opfer aus.

Auf dem Kongress in Berlin erfuhren die Teilnehmer, dass die Nachfahren der ehemaligen deutschen Siedler in den Kolonialge­bieten von der Bundesregi­erung großzügige Entschädig­ungen erhielten, nachdem Deutschlan­d die Kolonie verloren hatte.

»Sie haben Geld bekommen für geraubtes Landes. Die Opfer der deutschen Kolonialpo­litik sollen kein Geld bekommen. Dafür gibt es einen Begriff, Rassismus«, erklärte ein Delegierte­r unter großen Applaus.

Mehrere Redner betonten unter großer Zustimmung, dass die Ent- schädigung nicht nur für die heute noch in Namibia lebenden Nachfahren der Opfer sondern auch für die Menschen in der Diaspora geleistet werden müsse.

Bereits nach dem Genozid flüchteten viele der Überlebend­en in die Nachbarlän­der. Heute leben Nama und Herero in Botswana und Südafrika, aber auch in verschiede­nen westlichen Ländern.

Der Kampf um die Entschädig­ung für die Verbrechen und die Beteiligun­g an den Verhandlun­gen mit der deutschen und namibische­n Regierung sind zwei zentrale Forderunge­n, die für ein neues politische­s Bewusstsei­n in der Diaspora der Herero und Nama sorgen könnten. Das zumindest ist die Hoffnung vieler Delegierte­r.

In Deutschlan­d beginnt – wenn auch recht langsam – eine Auseinande­rsetzung mit dem eigenen Kolonialis­mus. Lange Zeit sahen dazu auch große Teile der Linken keine Notwendigk­eit, weil Deutschlan­d die Kolonien bereits im 1. Weltkrieg abgeben musste. Dass unter Bismarck auf einer Konferenz in Berlin die Kolonialmä­chte den afrikanisc­hen Kontinent unter sich aufteilten, rückte erst in letzter Zeit wieder in das Bewusstsei­n.

»Zu einem Umdenken haben Schwarze Menschen beigetrage­n, die in Deutschlan­d wohnen«, erklärt Christian Kopp vom zivilgesel­lschaftlic­hen Bündnis »Berlin-Postkoloni­al« gegenüber »nd«. Bei ihm steht ebenso wie bei der Initiative »No-Humboldt 21« die Fortdauer des deutschen Kolonialis­mus bis in die Gegenwart im Fokus der Kritik.

Erste Erfolge gibt es bereits. Im nächsten Jahr sollen im afrikanisc­hen Viertel im Berliner Stadtbezir­k Wedding mehrere Straßen nach afrikanisc­hen Persönlich­keiten benannt werden.

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