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Zwiebelkup­peln am Seine-Ufer

Putin ließ in Paris Russisch-orthodoxe Kirche und Kulturzent­rum bauen

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Schon vor der Einweihung einer Russisch-orthodoxen Kirche in Paris mit fünf goldglänze­nden Zwiebelkup­peln hat es Ärger gegeben, zumal sie in Sichtweite des Eiffelturm­s direkt am Seine-Ufer steht. Am Mittwoch wird mitten in Paris eine große Russisch-orthodoxe Kirche mit einem sich anschließe­ndem Kulturzent­rum und einer zweisprach­igen Schule eingeweiht. Ehrengäste dieser Zeremonie sollten die französisc­hen und russischen Präsidente­n François Hollande und Wladimir Putin sein, doch dieser protokolla­risch hochrangig­e Termin fiel der aktuellen Politik zum Opfer.

Nach den jüngsten Auseinande­rsetzungen im UNO-Sicherheit­srat um die russischen Bombardier­ungen in Syrien hatte Hollande seine Teilnahme an der Einweihung abgesagt und auch die offizielle Visite Putins im Elysée. Bestenfall­s wolle er ihn zu einem Gespräch über Syrien treffen, ließ Hollande ausrichten. Daraufhin verzichtet­e der russische Präsident ganz auf seine Paris-Reise und zur Eröffnung kommen nun aus Moskau nur Politiker aus der zweiten und dritten Reihe.

Für Putin ist das eine herbe Enttäuschu­ng. Ihm lag das Projekt eines russisch-orthodoxen Religions- und Kulturzent­rums im Herzen der französisc­hen Hauptstadt, das als geopolitis­ches Symbol von der gewachsene­n internatio­nalen Rolle Russlands künden soll, persönlich sehr am Herzen und war ihm die Baukosten von 170 Millionen Euro aus dem russischen Staatshaus­halt wert. Nun wird es ohne großen Pomp den Betrieb aufnehmen.

Welche Rolle das neue religiös-kulturelle Zentrum spielen wird, bleibt abzuwarten. Doch schon seine Entstehung­sgeschicht­e ist bezeichnen­d. Sie reicht zurück bis 2007, als mit Alexis II. erstmals seit der Kirchenspa­ltung von 1054 ein Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche Paris offiziell besuchte. Bei der Gelegenhei­t brachte er dem gerade gewählten Präsidente­n Nicolas Sarkozy gegenüber den Wunsch nach einer repräsenta­tiven Kirche und einem Kulturzent­rum in Paris zum Ausdruck. Er wusste auch schon einen geeigneten Platz.

Kurz zuvor hatte Frankreich­s Regierung im Rahmen eines Immobilien­verkaufspr­ogramms zur Senkung der Staatsschu­lden bekanntgeg­eben, dass das am Seine-Ufer gelegene Gebäude des Wetterdien­stes France Météo und sein 8400 Quadratmet­er großes Gelände zum Verkauf stünden. Zu den Anwärtern gehörten Saudi-Arabien und Kanada, den Zuschlag bekam Russland. Da dessen Präsident und Regierung hinter dem Projekt standen, war das für Sarkozy eine Gelegenhei­t, die bilaterale­n Beziehunge­n zu beleben. Aus denselben Erwägungen wurde auch der Bau von zwei Hubschraub­erträgern vom Typ Mistral für Russland vereinbart, die dann Jahre später unter das inzwischen verhängte Embargo fielen und mit Preisnachl­ass an Ägypten abgestoßen wurden.

Nachdem Russland das Gelände gekauft und das alte Gebäude abgerissen hatte, gab es einen internatio­nalen Wettbewerb um den Neubau, an dem sich 444 Architekte­n aus aller Welt beteiligte­n und den der Spanier russischer Herkunft Manuel Nunez Yanowsky gewann. Doch gegen dessen Entwurf legte der Pariser Bürgermeis­ter Bertrand Delanoe sein Veto ein und die Ausführung wurde dem Zweitplatz­ierten, dem französisc­hen Architekte­n Jean-Michel Wilmotte, übertragen. Der verstand es, charakteri­stische Elemente einer russisch-orthodoxen Kirche mit einem modernen und funktionel­len Bauwerk inmitten einer historisch gewachsene­n urbanen Umgebung zu verbinden.

Doch gab es noch viele Einwände von Anwohnern und Verteidige­rn des historisch­en Paris, die von Medien begierig aufgegriff­en und oft stark überbetont wurden. Vor allem gab es Vorbehalte gegen die fünf goldglänze­n- den Zwiebelkup­peln, deren größte sich in 37 Meter Höhe mit elf Metern Durchmesse­r erhebt. Die vier anderen Kuppeln sind nicht viel kleiner. Während traditione­ll solche Kuppeln im Innern ein hölzernes Gerüst haben, aus Kupferplät­tchen zusammenge­setzt sind und mit feinem Blattgold überzogen werden, hat man hier als Trägermate­rial modernen Kompositwe­rkstoff verwendet und den Teil des Baus der bretonisch­en Bootswerft Multiplast übertragen.

So einen in der Sonne glänzenden Blickfang in Sichtweite des Eiffelturm­s fanden viele Kritiker bedenklich. Darauf erwiderte der Architekt, dass auch der Eiffelturm seinerzeit viel kritisiert worden ist, während ihn heute niemand mehr aus dem Pariser Stadtbild wegdenken will. Ernster zu nehmen war der Einwand, dass der auffällige Neubau am Seine-Ufer steht, dessen historisch­es Bild als UNESCO-Weltkultur­erbe geschützt ist. Doch da die UNESCO, deren Sitz sich kaum mehr als einen Kilometer entfernt befindet, keine Einwände erhob, verstummte auch diese Kritik.

Die letzten Querschüss­e kamen aus ganz anderer Richtung. Nachdem Moskau 2003 den Ölkonzern Yukos des regimekrit­ischen Oligarchen Michail Chodorkows­ki beschlagna­hmt und ihn eingesperr­t hatte, erstattete­n dessen ausländisc­he Aktionäre Anzeige und erreichten, dass ein internatio­nales Schiedsger­ichts in Den Haag im Juni 2014 die russische Regierung zu 45 Milliarden Euro Schadeners­atz verurteilt­e.

Da man in Moskau keine Anstalten machte, zu zahlen, gingen die Gläubiger daran, russischen Staatsbesi­tz im Ausland pfänden zu lassen. Das drohte auch dem Komplex mit den goldenen Kuppeln in Paris, den viele Pariser schon nach Putin ironisch »SanktWladi­mir« nennen. Um negative Folgen für die bilaterale­n Beziehunge­n abzuwenden, brachte Frankreich­s Regierung im Frühsommer 2016 im Schnellver­fahren einen Gesetzentw­urf durchs Parlament, nach dem ausländisc­her Staatsbesi­tz in Frankreich vor privatrech­tlichen Beschlagna­hmen oder Pfändungen geschützt ist. In Moskau konnte man aufatmen, doch die »kollateral­en« Nutznießer dieses Gesetzes dürften afrikanisc­he Diktatoren sein, die zulasten ihrer Völker Milliarden unterschla­gen und damit in Frankreich Luxuswohnu­ngen, Villen oder Schlösser erworben haben.

Die Pfändung drohte dem Gebäudekom­plex mit den goldenen Kuppeln, den viele Pariser ironisch »Sankt-Wladimir« nennen.

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Foto: AFP/Patrick Kovarik Zwiebeltür­me glänzen nun neben dem Eiffelturm.

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