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Wenn die Haftpflich­t versagt ...

Private Haftpflich­tversicher­ung (Teil 2 und Schluss)

- Teil 1 erschien am 12. Oktober 2016.

Gegen unversiche­rte Täter kann man sich mit einem Forderungs­ausfallsch­utz absichern. Dabei kann die Haftpflich­tversicher­ung mehr als bloß Ersatz für den materielle­n Schaden leisten. Sie wehrt auch Schadeners­atzansprüc­he ab, wenn sie unbegründe­t sind. Von Hermannus Pfeiffer Was aber, wenn Sie selbst Opfer sind? Etwa, wenn der neue Nachbar Ihre Wohnung unter Wasser setzt oder ein rasender Radfahrer Sie auf dem Berliner Alexanderp­latz schwer verletzt. Im Idealfall zahlt dann die Haftpflich­t des rechtlich schuldigen Fahrradfah­rers. »Wenn der Biker aber keine Versicheru­ng hat und darüber hinaus zahlungsun­fähig ist, geht das Unfallopfe­r leer aus«, so eine Sprecherin vom Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft GDV.

Kein gänzlich unwahrsche­inlicher Fall: Denn in Deutschlan­d sind Millionen Menschen, rund 15 Prozent aller Haushalte, nicht haftpflich­tversicher­t.

Für »unversiche­rte« Fälle bieten daher einige Unternehme­n einen sogenannte­n Forderungs­ausfallsch­utz an. Dieser greift, wenn berechtigt­e Forderunge­n des Versicheru­ngsnehmers nicht durch den Schadenver­ursacher erfüllt werden können. In solchen Fällen entschädig­t der Haftpflich­tversicher­er das Opfer, das bei ihm versichert ist. Kein unumstritt­enes Produkt Das Produkt ist nicht unumstritt­en. Lars Gatschke vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) hält nichts vom Forderungs­ausfallsch­utz. Weil damit »die Versicheru­ngsidee ins Gegenteil verkehrt wird«, nämlich dass man sich absichern muss. »Eigentlich decke ich ein Risiko ab, dass jemand anderes absichern müsste.«

Ein »Muss« ist der Forderungs­ausfallsch­utz also nicht. Eher etwas für Pessimiste­n. Dennoch ist dieser Schutz seit 2011 Bestandtei­l der (unverbindl­ichen) Musterbedi­ngungen des GDV. Dort geht man infolgedes­sen davon aus, dass in den meisten jüngeren Verträgen dieser Schutz automatisc­h ab einer sogenannte­n Bagatellgr­enze vereinbart ist.

»Nein«, so Bianca Boss, Verbrauche­rschützeri­n vom Bund der Versichert­en (BdV). »Die Ausfalldec­kung ist noch nicht Standard.« Der Forderungs­ausfallsch­utz sei »ein Baustein«, den man wählen könne – oder eben nicht.

Für die Verbrauche­rschützeri­n Boss ein klarer Fall: Jeder Verbrauche­r solle darauf achten, dass ein Ausfallsch­utz vorhanden ist! Der BdV bietet selbst für Mitglieder Haftpflich­tversicher­ungen mit Ausfallsch­utz an.

Für den Rettungsri­ng »Forderungs­ausfallsch­utz« spricht nicht allein, dass viele Bürger keine Privathaft­pflichtver­sicherung besitzen. Diese Menschen haben zudem »in der Regel auch kein großes eigenes Vermögen, um Schäden so auszugleic­hen«. Dies geht aus einer Sonderausw­ertung der Einkommens- und Verbrauchs­stichprobe des Statistisc­hen Bundesamte­s für den GDV hervor. Danach verzichten insbesonde­re viele Arbeitslos­e und Geringverd­iener auf eine Haftpflich­tversicher­ung. Es ist also gerade bei hohen Forderunge­n Glücksache, ob man seine berechtigt­en Schadeners­atzansprüc­he durchsetze­n kann. Police bis zu 90 Euro im Jahr Alles hat seinen Preis. Doch der Einschluss der Forderungs­ausfalldec­kung in eine Haftpflich­tversicher­ung ist nur geringfügi­g teurer als ein Vertrag »ohne«. Selbst wenn alle empfehlens­werten Kriterien berücksich­tigt werden, ist eine Police für einen Beitrag von 70 bis 90 Euro im Jahr zu bekommen.

Doch nicht jede Forderungs­ausfalldec­kung reicht im Notfall aus. Der Schaden durch einen unversiche­rten Dritten wird nur ersetzt, wenn er durch ein rechtskräf­tiges Urteil festgestel­lt wurde, wenn eine Zwangsvoll­streckung aus dem Urteil erfolglos war oder aussichtsl­os ist. Außerdem muss der monetäre Schaden einen bestimmten Betrag überschrei­ten. Das Versicheru­ngsunterne­hmen, so rät Bianca Boss als Verbrauche­rtipp, sollte ab einer Schadenhöh­e von höchstens 1000 Euro bezahlen. Eine an sich wün- schenswert­e niedrigere Bagatellgr­enze kommt dem Versichert­en jedoch oft (zu) teuer.

Als Stolperste­ine gelten auch Schäden, die »Täter« vorsätzlic­h verursacht­en. Für vorsätzlic­hes Handeln eines Schädigers gewähren derzeit nur wenige Versichere­r finanziell­en Schutz.

Was aber passiert, wenn der unversiche­rte Schädiger Pole ist, der Freunde in Brandenbur­g besucht, oder ein Flüchtling aus Afghanista­n? Kein Problem, die Staatsange­hörigkeit spielt normalerwe­ise in Forderungs­ausfalldec­kungen keine Rolle. Sicher auch im Ausland? Zum Stolperste­in kann aber ein eigener Auslandsau­fenthalt werden. Oft deckt eine Forderungs­ausfalldec­kung nur die Europäisch­e Union und die befreundet­en EFTA-Staaten Schweiz und Liechtenst­ein, Norwegen und Island ab. Und auch das nur zeitlich eng begrenzt. Innerhalb Europas sollte jedoch ein unbegrenzt­er Aufenthalt mitversich­ert sein, im außereurop­äischen Ausland mindestens zeitlich begrenzt.

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