Wenn die Haftpflicht versagt ...
Private Haftpflichtversicherung (Teil 2 und Schluss)
Gegen unversicherte Täter kann man sich mit einem Forderungsausfallschutz absichern. Dabei kann die Haftpflichtversicherung mehr als bloß Ersatz für den materiellen Schaden leisten. Sie wehrt auch Schadenersatzansprüche ab, wenn sie unbegründet sind. Von Hermannus Pfeiffer Was aber, wenn Sie selbst Opfer sind? Etwa, wenn der neue Nachbar Ihre Wohnung unter Wasser setzt oder ein rasender Radfahrer Sie auf dem Berliner Alexanderplatz schwer verletzt. Im Idealfall zahlt dann die Haftpflicht des rechtlich schuldigen Fahrradfahrers. »Wenn der Biker aber keine Versicherung hat und darüber hinaus zahlungsunfähig ist, geht das Unfallopfer leer aus«, so eine Sprecherin vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV.
Kein gänzlich unwahrscheinlicher Fall: Denn in Deutschland sind Millionen Menschen, rund 15 Prozent aller Haushalte, nicht haftpflichtversichert.
Für »unversicherte« Fälle bieten daher einige Unternehmen einen sogenannten Forderungsausfallschutz an. Dieser greift, wenn berechtigte Forderungen des Versicherungsnehmers nicht durch den Schadenverursacher erfüllt werden können. In solchen Fällen entschädigt der Haftpflichtversicherer das Opfer, das bei ihm versichert ist. Kein unumstrittenes Produkt Das Produkt ist nicht unumstritten. Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält nichts vom Forderungsausfallschutz. Weil damit »die Versicherungsidee ins Gegenteil verkehrt wird«, nämlich dass man sich absichern muss. »Eigentlich decke ich ein Risiko ab, dass jemand anderes absichern müsste.«
Ein »Muss« ist der Forderungsausfallschutz also nicht. Eher etwas für Pessimisten. Dennoch ist dieser Schutz seit 2011 Bestandteil der (unverbindlichen) Musterbedingungen des GDV. Dort geht man infolgedessen davon aus, dass in den meisten jüngeren Verträgen dieser Schutz automatisch ab einer sogenannten Bagatellgrenze vereinbart ist.
»Nein«, so Bianca Boss, Verbraucherschützerin vom Bund der Versicherten (BdV). »Die Ausfalldeckung ist noch nicht Standard.« Der Forderungsausfallschutz sei »ein Baustein«, den man wählen könne – oder eben nicht.
Für die Verbraucherschützerin Boss ein klarer Fall: Jeder Verbraucher solle darauf achten, dass ein Ausfallschutz vorhanden ist! Der BdV bietet selbst für Mitglieder Haftpflichtversicherungen mit Ausfallschutz an.
Für den Rettungsring »Forderungsausfallschutz« spricht nicht allein, dass viele Bürger keine Privathaftpflichtversicherung besitzen. Diese Menschen haben zudem »in der Regel auch kein großes eigenes Vermögen, um Schäden so auszugleichen«. Dies geht aus einer Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes für den GDV hervor. Danach verzichten insbesondere viele Arbeitslose und Geringverdiener auf eine Haftpflichtversicherung. Es ist also gerade bei hohen Forderungen Glücksache, ob man seine berechtigten Schadenersatzansprüche durchsetzen kann. Police bis zu 90 Euro im Jahr Alles hat seinen Preis. Doch der Einschluss der Forderungsausfalldeckung in eine Haftpflichtversicherung ist nur geringfügig teurer als ein Vertrag »ohne«. Selbst wenn alle empfehlenswerten Kriterien berücksichtigt werden, ist eine Police für einen Beitrag von 70 bis 90 Euro im Jahr zu bekommen.
Doch nicht jede Forderungsausfalldeckung reicht im Notfall aus. Der Schaden durch einen unversicherten Dritten wird nur ersetzt, wenn er durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde, wenn eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil erfolglos war oder aussichtslos ist. Außerdem muss der monetäre Schaden einen bestimmten Betrag überschreiten. Das Versicherungsunternehmen, so rät Bianca Boss als Verbrauchertipp, sollte ab einer Schadenhöhe von höchstens 1000 Euro bezahlen. Eine an sich wün- schenswerte niedrigere Bagatellgrenze kommt dem Versicherten jedoch oft (zu) teuer.
Als Stolpersteine gelten auch Schäden, die »Täter« vorsätzlich verursachten. Für vorsätzliches Handeln eines Schädigers gewähren derzeit nur wenige Versicherer finanziellen Schutz.
Was aber passiert, wenn der unversicherte Schädiger Pole ist, der Freunde in Brandenburg besucht, oder ein Flüchtling aus Afghanistan? Kein Problem, die Staatsangehörigkeit spielt normalerweise in Forderungsausfalldeckungen keine Rolle. Sicher auch im Ausland? Zum Stolperstein kann aber ein eigener Auslandsaufenthalt werden. Oft deckt eine Forderungsausfalldeckung nur die Europäische Union und die befreundeten EFTA-Staaten Schweiz und Liechtenstein, Norwegen und Island ab. Und auch das nur zeitlich eng begrenzt. Innerhalb Europas sollte jedoch ein unbegrenzter Aufenthalt mitversichert sein, im außereuropäischen Ausland mindestens zeitlich begrenzt.