Keine Grenzen für Medikamente
Europäischer Gerichtshof sieht bei deutscher Preisbindung EU-Recht verletzt
Ein rezeptpflichtiges Arzneimittel kostet in Deutschland überall gleich viel. Nach einem EuGH-Urteil steht die Preisbindung in ihrer aktuellen Form auf der Kippe. Luxemburg. Ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs wirbelt den deutschen Apothekenmarkt auf. Die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente schränke den grenzüberschreitenden freien Warenverkehr ein und verstoße damit gegen EU-Recht, urteilten die Luxemburger Richter am Mittwoch (Rechtssache C148/15). Von einem Preiswettbewerb könnten hingegen die Patienten profitieren, hieß es.
Pharmaunternehmen können nach bestehender Gesetzeslage selbst festlegen, zu welchen Preisen sie Arzneimittel an Apotheken und Großhändler in Deutschland abgeben. Diese dürfen dann jedoch nur einheitlich festgeschriebene Zuschläge erheben. Dadurch kostet ein jeweiliges verschreibungspflichtiges Arzneimittel überall in Deutschland dasselbe. An die einheitlichen Abgabepreise müssen sich aktuell auch Versandapotheken mit Sitz im EUAusland halten. Da der grenzüberschreitende Warenverkehr – auch mit rezeptpflichtigen Medikamenten – EU-Recht berührt, war nun der EuGH mit dem Fall befasst. Die Preisbindung für Medikamente, die innerhalb Deutschlands vertrieben werden, fällt hingegen allein in die nationale Zuständigkeit.
Die Regelung könne Anbietern aus anderen EU-Ländern den Zugang zum deutschen Markt erschweren, befanden die Richter nun. Grundsätzlich könne zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch die Preisbindung sei dazu nicht geeignet.
In einer ersten Reaktion teilte das Gesundheitsministerium mit, die Preisbindung sei nach dem Urteil nicht mehr auf Versandapotheken im EU-Ausland anwendbar. Konsequenzen würden nun geprüft. Priorität habe für die Bundesregierung indes ein flächendeckendes Apotheken-Netz. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums ist ein Ziel der Preisbindung zu verhindern, dass Medikamente zu teuer und Krankenkassenbeiträge unbezahlbar werden.
Die Richter erklärten hingegen, es sei nicht nachgewiesen worden, inwiefern durch eine Festlegung einheitlicher Preise eine flächendeckende Verteilung traditioneller Apotheken in Deutschland gefördert würde. Vielmehr könne ein Preiswettbewerb auch Anreize zur Niederlassung in Gegenden bieten, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten.
Die Unions-Bundestagsfraktion brachte bereits ein »Versandhandelsverbot für deutsche Arznei- mittel« in die Diskussion. »Für die inhabergeführten Apotheken dürfen in Deutschland aufgrund des Urteils keine Wettbewerbsnachteile entstehen«, begründete die gesundheitspolitische Sprecherin, Maria Michalk (CDU), ihren Vorstoß. Die LINKE-Gesundheitsexpertin Kathrin Vogler kritisierte, das Urteil bedeute »eine Stärkung des Versandhandels und bedroht nicht zuletzt Apotheken auf dem Lande«.