Afrika rückt ins Blickfeld
Sie treffen sich nun wieder in vollständiger Besetzung: Auch das austrittswillige Großbritannien ist auf dem EU-Gipfel in Brüssel, der an diesem Donnerstag beginnt, vertreten. Die Agenda ist ehrgeizig: Die Themen Handel, Syrien, Migration, Russland und Br
Jetzt wird es doch noch spannend: Der Widerstand gegen CETA gibt dem EU-Gipfel eine besondere Brisanz. Eröffnet indes wird das Treffen in Brüssel mit dem Thema Migration nach Europa.
»Was für ein langweiliger Gipfel«, klagte noch Ende vergangener Woche ein Korrespondent in Brüssel mit Blick auf das vorläufige Programm des Treffens der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) am Donnerstag und Freitag in der belgischen Hauptstadt. Mittlerweile dürfte die Langeweile verflogen sein. CETA, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, ist seit Dienstag zur Chefsache, also zum Gipfelthema geworden. Belgien verweigert immer noch die Zustimmung, will laut blockierender Region Wallonien auch dabei bleiben – die geplante Unterzeichnung des Abkommens mit Kanada nächste Woche steht auf dem Spiel. Auch das vorgesehene Thema »Beziehungen zu Russland« hat durch das überraschend angekündigte Gespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwochabend (nach Redaktionsschluss) in Berlin an Bedeutung gewonnen.
Nur zum dritten Schwerpunkt, mit dem der Gipfel am Donnerstag eröffnet werden soll, gibt es seit vergangener Woche keine neue Aktualität. Das war beim Thema Einwanderung nach Europa auch nicht unbedingt zu erwarten. Grundsätzlich gilt hier, dass es jetzt um Langzeitprozesse geht, nachdem die heiße Phase 2015/16 mit täglich Tausenden von neuen Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen vorbei zu sein scheint. In Griechenland setzte der Rückgang im Februar ein. Seit April liegt das Niveau der monatlich neu ankommenden Flüchtlingen hier bei wenigen Hunderten.
Europa sei dabei, die Kurve zu kriegen, kommentiert EU-Ratspräsident Donald Tusk diese Entwicklung in seinem Einladungsschreiben an die Gipfelteilnehmer. »Unsere Erfolge sind am deutlichsten auf der OstMittelmeer-Route zu sehen, wo die Zahl der illegalen Einwanderer in die EU zwischen September 2015 und diesem Jahr um 98 Prozent zurückgegangen ist«, berichtet Tusk. Trotzdem soll es auf dem Gipfel auch um die griechische EU-Grenze gehen. Noch mehr Flüchtlinge sollen von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht, Griechenland noch mehr bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik geholfen, die Türkei zu weiteren Fortschritten bei der Erfüllung ihrer Versprechen gegenüber der EU aus der Übereinkunft vom 18. März gebracht werden.
Größer sind die Aufgaben bei der »zentralen Mittelmeer-Route«. Das Wasser zwischen Nordafrika und Italien oder auch Malta ist durch die geringere Zahl der Flüchtlinge aus der Türkei wieder zu dem am häufigsten benutzten Weg für Schleuser geworden, Menschen illegal in die EU zu bringen. 131 860 Geflüchtete seien es zwischen Januar und August gewesen, heißt es seitens der EU. Der Verlauf der Jahreskurve, die den Zustrom der Menschen pro Monat nachzeichnet, unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von den Kurven für 2015 und 2014. »Deshalb sollten wir unseren Fokus bei unserem Treffen auf die Herkunfts- und Transitländer der Flüchtlinge in Afrika richten«, schreibt Tusk.
Vorarbeit wurde schon geleistet. EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sollen den Gipfelteilnehmern die bereits eingeleiteten EU-Maßnahmen prä- sentieren. Der Grundgedanke dabei ist, den Flüchtlingen erst gar keinen Grund dafür zu liefern, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Das soll vor allem durch engere Partnerschaften, sprich: mit mehr Geld und Entwicklungshilfe geleistet werden.
Große Widerstände sind dabei nicht zu erwarten. Traditionell ist es das Mittel europäischer Staaten, mit mehr Geld zu versuchen, den Lebensstandard der betroffenen afrikanischen Länder – die meisten Ge- flüchteten kommen aus Nigeria, Eritreia und dem Sudan – zu erhöhen. Traditionell scheitern diese Versuche – global gesehen. Raum für solche kritischen Stimmen wird es wohl nicht geben.
Beim Abendessen soll es dann um Russland gehen. Daneben soll die geplante Syrien-Resolution verabschiedet werden. Die britische Premierministerin Theresa May – sie wird das erste Mal überhaupt bei einem EU-Gipfel dabei sein – soll über Neuigkeiten zum Brexit berichten, der niederländische Premierminister Mark Rutte zum Ratifizierungsprozess des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine, das im April bei einem Referendum in den Niederlanden abgelehnt worden war. Und Tusk will über seine Reformvorschläge zur Arbeitsweise auf EU-Gipfeln reden. Seine Hauptforderung: früher anfangen. Zurzeit starten die EU-Gipfel in der Regel um 16 Uhr.