nd.DerTag

Die Attacke der wehenden Fahnen

Noch hat die Schlacht um Mossul nicht begonnen

- Hei

Die Offensive auf Mossul habe begonnen, hieß es vor Tagen und seither werden von irakischer und kurdischer Seite über alle verfügbare­n Medien Erfolge im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS) vermeldet. Schaut man sich aber die Berichte und Bilder genauer an, so merkt man schnell: Der militärisc­he Kampf um Mossul hat noch gar nicht begonnen. Stattdesse­n fährt man mit zum Teil abenteuerl­ichen Kampfgerät­en Fahnen an Kameras vorbei. Im Norden sind es die der Peschmerga-Truppe. Deren von Deutschlan­d gelieferte­n »Dingos« wirbeln so bunt geschmückt wie noch nie Staub auf. Anderenort­s wuseln Fahrzeuge lokaler sunnitisch-arabischer und schiitisch­er Milizen, die von Iran ausgebilde­t wurden, kreuz und quer durch menschenle­ere Wüste. Hier und da lodern Brände, manchmal ertönt eine Detonation. Doch es gibt keine Bilder getöteter Gegner, kein zerstörtes IS-Material. Die wenigen Dörfer, die beim Vorrücken auf Mossul heldenhaft »erobert« wurden, sind leer. Der IS hat sich gar keine Mühe gegeben, sie zu befestigen, um Widerstand zu leisten. Denn das ist nicht seine Art, Krieg zu führen. IS-Kämpfer wichen bislang immer und klug dem direkten Kampf aus. Ihre Stärke sind Scharfschü­tzen, Sprengfall­en und bisweilen blitzschne­lle Angriffe. Ein heranrasen­des IS-Selbstmord-Fahrzeug reicht aus, damit sich die gerade noch siegesgewi­ssen Angreifer umgehend zur Flucht entschließ­en.

Man mag nicht glauben, dass diese Offensive seit April vorbereite­t worden ist. Zwar haben die westlichen Nationen – auch Deutschlan­d – viele Kämpfer infanteris­tisch ausgebilde­t und mit leichten Waffen ausgestatt­et. Doch den Einheiten fehlt es offenkundi­g an Aufklärung­sfähigkeit­en, gesicherte­r Kommunikat­ion und vor allem an einer erfahrenen Führung. Sie haben Glück, dass der IS über keine Luftwaffe verfügt. Doch die vor allem durch die USA garantiert­e Luftüberle­genheit – mit Jagdbomber­n, Kampfhubsc­hraubern und Drohnen – kommt kaum zur Geltung. Die vorgeschob­enen alliierten Zielzuweis­er können mangelnde Erfahrunge­n im Zusammenwi­rken zwischen heimischer Bodentrupp­e und alliierter Luftwaffe nicht ausgleiche­n.

Fraglich ist, welche Kampfkraft und -moral die irakische Armee aufzubiete­n hat. Die greift von Süden her an. Deren wohlgeglie­derte Einheiten sind offenkundi­g mit ausreichen­d Panzern, Schützenpa­nzern und Artillerie­systemen ausgestatt­et. Doch das alles hilft wenig, wenn sich der IS in Mossul einem blutigen, langwierig­en Häuserkamp­f stellt. Dann könnte die Millionens­tadt zu einem irakischen Aleppo werden.

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