Grüne Falken über der Levante
Die Bundestagsfraktion der Grünen will Luftkorridore für die Bevölkerung Syriens »mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln« durchsetzen
Der Bundestag debattierte im Rahmen einer Aktuellen Stunde über den Syrienkrieg. Dabei zeigte sich: Die Falken kommen mittlerweile von der Union und den Grünen.
Tempora mutantur: Die Grünen, einst als Friedenspartei gegründet, trommeln für ein militärisches Eingreifen des Westens in Syrien. Sowohl die Grüne Fraktionschefin Katrin GöringEckardt als auch Parteichef Cem Özdemir nehmen da kein Blatt mehr vor den Mund. Damit liegen die Grünen auf einer Wellenlänge mit Unions-Falken wie dem CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der auf militärisch abgesicherte Korridore in Syrien drängt.
Auch während der Aktuellen Stunde des Bundestages am Mittwoch zeigte sich, dass derzeit nur SPD und LINKE auf rein diplomatische Lösungen setzen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, attestierte Russland zwar »schwere Menschenrechtsverletzungen«, aber eben auch »allen anderen Kriegsteilnehmern«. Mützenich wollte »Sanktionen gegen Russland grundsätzlich nicht ausschließen« und lag damit auch auf Linie der Bundeskanzlerin, die solche Sanktionen für eine Option hält. Ganz im Gegensatz zu ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der nicht versteht, wie und was »Sanktionen hier zur Verbesserung der Versorgung der Zivilbevölkerung beitragen sollen«. Auch Mützenich fragte: »Schaffen wir es mit Sanktionen, den Menschen in der Region zu helfen?«, und stellte im selben Atemzug klar: Die SPD sei »nicht naiv gegenüber Russland«.
Nicht nur, weil die Koalitionspartner in der Sache uneins sind, erwartet die Bundesregierung beim anstehenden EU-Gipfel keine Beschlüsse zu Sanktionen gegen Russland. Der Gipfel am Donnerstag und Freitag werde dazu »keine Entscheidung treffen«, sagte ein deutscher Regierungsvertreter am Mittwoch in Berlin. Das bedeute auch, »er wird keine Option vom Tisch nehmen«, wozu auch Sanktionen gehörten.
Mützenich brachte derweil im Plenum die Position der SPD auf die Formel: »Russland, egal wie es sich verhält, wird Nachbar Europas sein«. Einfache Antworten würden einer Krise, die längst über Syrien hinausgeht, nicht gerecht.
Heike Hänsel von der LINKEN erinnerte das Plenum an die andere Wirklichkeit, zu der auch gehöre, dass West-Aleppo mit Mörsergranaten aus dem von Dschihadisten besetzten Ostteil beschossen werde. Der Bundesregierung warf sie vor, eine »Politik der Doppelstandards« zu betreiben und tatenlos zuzuschauen, wie sich im irakischen Mossul eine humanitäre Katastrophe abzeichne, während man sich nur auf Allepo fokussiere.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach der LINKEN »jede Kompetenz in Menschlichkeit« ab. Stattdessen gab er seiner Zuversicht Ausdruck, dass Mossul »nach Jahren der Besetzung durch den IS« befreit werde. Dass Beobachter damit rechnen, die dort lebenden eine Million Sunniten könnten Opfer von Vertreibungen werden, ließ Kauder unerwähnt. Sein Fraktionskollege Henning Otte (CDU) plädierte gar dafür, einen Ausschluss Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat zu prüfen.
Und die Grünen? Der außenpolitische Fraktionssprecher Omid Nouripour räumte ein, keine Patentlösungen zu haben und verwies auf den Antrag seiner Fraktion, der heute im Parlament behandelt werden soll. »Mit allen zur Verfügung stehenden Mit- teln«, heißt es da, sollen die UN dabei unterstützt werden, eine Luftbrücke für die notleidenden Menschen in Syrien einzurichten. Den Einsatz von militärischer Gewalt schließt der Antrag nicht aus.
Da trifft es sich gut, dass heute auch die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Syrien auf der Tagesordnung steht.