Reichsbürger mit Jagdschein
Schüsse auf Polizisten – Bayerns Innenminister will Gruppierung stärker ins Visier nehmen
Bei einer Hausdurchsuchung in der fränkischen Stadt Georgensgmünd sind am Mittwoch vier Polizisten durch Schüsse zum Teil schwer verletzt worden. Schütze war erneut ein »Reichsbürger«. Wie kann Rechtsextremismus in Bayern bekämpft werden? Darum ging es am Mittwoch bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss des Freistaat-Landtages. Die Realität im Land machte deutlich, wie dringend das ist. Am Morgen war es in Georgensgmünd zu einer Schießerei zwischen einem sogenannten Reichsbürger und der Polizei gekommen. Der Mann verfügte legal über 30 Kurz- und Langwaffen. Darunter seien auch zugelassene US-amerikanische und funktionsfähige historische Waffen. Grund- lage dafür waren ein Jagdschein und Waffenbesitzkarten. Diese Bescheide waren am 28. August widerrufen worden. Grund Unzuverlässigkeit. Der Mann schuldete dem Freistaat KfzSteuern, die sollten bereits im Mai vom Zoll eingetrieben werden. Doch der Mann verweigerte den zuständigen Behörden – auch denen des Landratsamtes – mehrfach den Zutritt zu seinem Haus. Nachdem eine ihm gesetzte Frist verstrichen war, bestätigte das zuständige Amtsgericht einen Antrag auf Hausdurchsuchung.
Als die Polizei sich am Mittwoch um 6 Uhr Zutritt verschaffte, feuerte der Mann aus dem ersten Stock seines Hauses sofort auf die Beamten. Insgesamt wurden bei dem Einsatz vier Polizisten verletzt, zwei davon wurden angeschossen, ein Beamter erlitt dabei lebensgefährliche Verletzungen. Der 49-jährige Schütze war mit einer schusssicheren Weste bekleidet, hatte sich also auf das Geschehen vorbereitet. Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf des versuchten Mordes.
In letzter Zeit war es wiederholt zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Reichsbürgern und Behörden gekommen. Bei der Zwangsräumung eines Hauses in Sachsen-Anhalt fielen im September gleichfalls Schüsse. Zwei SEK-Beamte und der 41-jährige Hauseigentümer, der der Reichsbürgerbewegung angehört, wurden verletzt. Er hatte auf seinem Grundstück den Ministaat »Ur« ausgerufen. Dort, so behauptete er, gelten nur seine eigenen Gesetze. Eigentlich sollte diese Zwangsräumung des Hauses bereits Tage zuvor erfolgen, doch da hatten sich zeitweise 120 Unterstützer – darunter auch Frauen und Kinder – auf dem Gelände zusammengefunden. Die Polizei brach daher eine geplante Aktion ab. Später war die Staatsmacht dann mit rund 200 Beamten und einem Spezialeinsatzkommando angerückt, um den Gerichtsvollzieher bei seiner Arbeit zu unterstützen.
Auch in Brandenburg treiben Reichsbürger ihr Unwesen. Der Landesverfassungsschutz warnte besonders vor bewaffneten Gesetzesbrechern. In der Vergangenheit sei die Polizei bei Hausdurchsuchungen wie- derholt auf Waffen und große Mengen von Munition gestoßen. Seit geraumer Zeit beobachten die regionalen Verfassungsschützer die Reichsbürgerszene. Dabei stößt man auch auf Verbindungen zu rechtsextremistischen Hardcore-Gruppierungen. Man begegnet bekennenden Anhängern auch bei Pegida-Aufzügen in Dresden.
Teil dieser Reichsbürgerszene ist der »Freistaat Preußen«, eine Gruppierung mit großen Autoaufklebern und besorgniserregendem Zulauf. Im brandenburgischen Cottbus führt eine ihrer Führungsfiguren einen Militarialaden. Nach Recherchen des ARDMagazins »Kontraste« erhielt sie als Existenzgründerin vom Land Brandenburg Wirtschaftsförderung.
Experten sehen mehrere Kategorien von Reichsbürgern. Es handle sich oft um Staatsverdrossene, dann gibt es ideologische Geschichtsrevisionisten, gefährlich sind vor allem jene, die den Rechtsstaat destabilisieren und abschaffen wollen.
Das Brandenburger Landeskriminalamt legte jüngst eine Statistik zur Situation in dem Bundesland vor. Man stützte sich auf 220 Vorfälle, bei denen Reichsbürger zwischen 2012 und 2016 »den Aufstand probten«. 83 Prozent der Täter waren Männer, das Durchschnittsalter betrug 52 Jahre.
Die Masse der Reichsbürger – über deren Vernetzung man offenbar bislang bundesweit zu wenig weiß – nutzen für ihre destabilisierenden Ziele gerade die legalen Möglichkeiten des Rechtsstaates aus. Sie überziehen Gerichte mit abstrusen Klagen, beschimpfen Behörden, verschleppen Verfahren durch abwegige Debatten über die Legitimation des Staates.
In Osnabrück wurde unlängst ein Reichsbürger gemeinsam mit seiner Frau verurteilt, weil beide einen Gerichtsvollzieher mit einem Baseballschläger empfangen haben. Als Polizisten in Köln einen 43-jährigen Autofahrer kontrollieren wollten, verweigerte der das mit Hinweis auf seine Reichsbürgerschaft. In Rostock wollte sich im April ein solcher Typ gleichfalls einer aus seiner Sicht illegitimen Kontrolle entziehen. Er gab Gas und fuhr einen Polizisten um.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bestätigte, dass der Landesverfassungsschutz die Reichsbürger schon seit längerem im Visier habe. Doch die jüngsten Ereignisse hätten gezeigt, dass man manche Gruppierungen noch schärfer in den Blick nehmen müsse. Es handle sich nicht um irgendwelche »Spinner« oder »ewig Gestrige«. Man müsse erkennen, dass die ideologischen Vorstellungen mancher dieser Leute dazu führen, dass sie zu brutaler Gewalt gegen Vertreter des Staates neigen.
Als die Polizei sich am Mittwoch um 6 Uhr Zutritt verschaffte, feuerte der Mann aus dem ersten Stock seines Hauses sofort auf die Beamten.