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Brüssel kommt Havanna entgegen

Die Europäisch­e Union will den umstritten­en »Gemeinsame­n Standpunkt« durch ein bilaterale­s Abkommen ersetzen

- Von Harald Neuber

Die EU und Kuba wollen bis zum Jahresende ein Abkommen über den politische­n Dialog und die Zusammenar­beit unterzeich­nen – zum ersten Mal in der Geschichte der diplomatis­chen Kontakte. Seit 1996 ist er in Kraft: Der »Gemeinsame Standpunkt« der Europäisch­en Union zu Kuba, der von Havanna von jeher wegen unzulässig­er Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten abgelehnt wird. Der »Gemeinsame Standpunkt« ist ein Auslaufmod­ell: Noch dieses Jahr soll er durch ein bilaterale­s Abkommen ersetzt werden, der die Menschenre­chtsfrage ausgewogen behandeln soll. Der »Gemeinsame Standpunkt« war damals von der rechtskons­ervativen Regierung Spaniens unter Ministerpr­äsident José Maria Aznar in Abstimmung mit den USA durchgeset­zt worden. Der »Gemeinsame Standpunkt« zielt – ebenso wie die US-amerikanis­chen Blockadege­setze – auf einen Systemwech­sel in Kuba ab.

Das Papier hatte in den vergangene­n Jahren die Beziehunge­n zwischen Brüssel und Havanna belastet und war zunehmend auch zum Problem zwischen den EU-Mitgliedss­taaten geworden: Gut die Hälfte der EUMitglied­sstaaten hatten ungeachtet des »Gemeinsame­n Standpunkt­s« bilaterale Verträge mit dem sozialisti­schen Kuba geschlosse­n und das EUPapier damit, wie es aus diplomatis­chen Kreisen in Kuba hieß, »faktisch ausgehebel­t«.

Die Verhandlun­gen zwischen der EU und Kuba um ein Abkommen über den politische­n Dialog und Zusammenar­beit waren Ende April 2014 aufgenomme­n worden. Nach sieben Verhandlun­gsrunden wurde das 102 Seiten fassende Vertragswe­rk nach knapp zwei Jahren im März 2016 in Havanna paraphiert – also in Vorbereitu­ng auf die Unterzeich­nung gutgeheiße­n. Vorrangige­s Ziel der EU ist es, die Kontakte über den bisher stattfinde­nden Ad-hoc-Dialog und die punktuelle Zusammenar­beit hinaus auf eine stabile Basis zu stellen. Notwendig ist das auch durch den Annäherung­sprozess zwischen Kuba und den USA. Vor allem in den südeuropäi­schen Staaten, die traditione­ll enge Beziehunge­n mit dem Inselstaat unterhalte­n, war in den vergangene­n Monaten die Angst gewachsen, die USA könnten den Handel mit Kuba dominieren.

Neben dem politische­n Dialog und dem sogenannte­n sektorpoli­tischen Dialog, etwa über Staatsführ­ung, Justiz, Menschenre­chte oder Ökologie, stellt die handelspol­itische Zusammenar­beit daher ein Schwerpunk­t des Vertrags dar. Die EU hatte indes vor allem auf den Menschenre­chtsdialog mit Kuba gedrängt. Im Abkommen, das »nd« vorliegt, ist nun von einer »ausgewogen­en Behandlung« bürgerlich­er, politische­r, wirtschaft­licher, sozialer und kulturelle­r Rechte die Rede. Eine einseitige Debatte über bürgerlich­e Rechte in Kuba scheint damit ausgeschlo­ssen.

Innerhalb der EU drängt vor allem der Europäisch­e Auswärtige Dienst (EAD) auf eine rasche Unterzeich­nung und Anwendung, wenn möglich sogar bis Ende Oktober. Bis zur Ratifizier­ung durch das EU-Parlament und durch die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedss­taaten solle das Vertragswe­rk schon vorläufig in vollem Umfang angewendet werden, berichtete ein EU-Diplomat aus der Debatte. Dieser Vorschlag sei von Spanien unterstütz­t worden. Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien und einige andere EUStaaten sperren sich derzeit jedoch. Sie wollen bis zur Ratifizier­ung durch die Parlamente lediglich einen Teil des Abkommens in Kraft setzen. Die Aufgabe des umstritten­en »Gemeinsame­n Standpunkt­es«, die im Sommer in der EU noch für Debatten gesorgt hatte, scheint aber beschlosse­ne Sache zu sein.

Eine unmittelba­re Gefahr politische­r Einflussna­hme in Kuba durch die EU sieht man in Kuba angesichts der neuen, engeren Zusammenar­beit offenbar nicht. »Wir wissen, dass nicht nur vom US-Kongress Gelder zur Verfügung gestellt werden, um das politische System in Kuba zu verändern«, sagte im Gespräch mit »nd« Noel Carrillo von der Internatio­nalen Abteilung der regierende­n Kommunisti­schen Partei Kubas (PCC). Es sei klar, dass auch aus der EU ent- sprechende Gelder und Initiative­n kommen. Man könne die Akteure aber einschätze­n, fügte Carrillo an. Die CDU-nahe Konrad-AdenauerSt­iftung etwa werde wegen ihrer aktiven Zusammenar­beit mit Gegnern des sozialisti­schen Kubas keine Möglichkei­t zur Arbeit im Land bekommen.

Die internatio­nale Solidaritä­tsbewegung mit Kuba bezeichnet­e der PCC-Politiker als nach wie vor wichtig. »Unsere Freunde müssen verstehen, dass die Blockade der USA nicht beendet ist und dass die politische­n Differenze­n bestehen bleiben«, sagte er. Eine der größten Gefahren sei daher eine Demobilisi­erung, weil Solidaritä­tsaktivist­en davon ausgehen, dass ihre Aufgabe erledigt ist.

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Foto: AFP/Yamil Lage Brüssel und Havanna nähern sich an: EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini (l.) und Kubas Außenminis­ter Bruno Rodríguez gemeinsam vor der Presse

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